AG Wald Baden-Württemberg

Stellungnahme zur Naturschutzstrategie 2020, Stand: 26.09.2011

Vorbemerkung
Die AG Wald Baden-Württemberg begrüßt die Fortschreibung der Naturschutzstrategie 2020 und bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme.
Der Strategie liegt aus Sicht der AG Wald ein schiefer Ansatz zugrunde: Die Aspekte des Waldnaturschutzes werden hauptsächlich im vergleichsweise dünnen Kapitel "Wald" abgehandelt und ansonsten überwiegend ausgeblendet. Dies lässt vermuten, dass Waldnaturschutz nur ein Randthema der Naturschutzstrategie 2020 ist, was sicherlich nicht so intendiert ist, zumal Wald mit einem Landesflächenanteil von nahezu 40 Prozent sehr bedeutsam ist und Holz als ökologischer Rohstoff immer wichtiger wird.
Die Strategie berücksichtigt nicht, dass derzeit eine separate Waldnaturschutzstrategie mit einem breiten partizipativen Ansatz erarbeitet wird. Die AG Wald ist an diesem Prozess beteiligt. Die Waldnaturschutzstrategie muss Bestandteil der Naturschutzstrategie 2020 werden, da es viele thematische und auch räumliche Überschneidungen sowie Zielkonflikte zwischen Offenland und Wald gibt.
Aus Sicht der AG Wald müssen die Zuständigkeiten zwischen der Naturschutz- und der Forstverwaltung in Waldnaturschutzfragen auf allen Ebenen klar geregelt werden. Die AG Wald ist der Überzeugung, dass die naturschutzfachliche Federführung im Wald weiterhin bei der Forstverwaltung liegen muss, da sie die Ansprüche an den Wald ganzheitlich abwägt und als Flächenverwaltung umsetzt. Der eingeschlagene Weg der Zusammenarbeit und der Nutzung von fachlichen Synergien muss dabei fortgeführt werden. Beide Verwaltungen profitieren vom gegenseitigen Fachwissen und der Managementkompetenz.
Die Naturschutzstrategie 2020 muss deswegen sowohl im Entstehungs-, Anhörungs- als auch im Umsetzungsprozess sowohl von der Naturschutz- als auch von der Forstabteilung paritätisch entwickelt werden. Es müssen also auch Ressourcen und Finanzmittel für die Forstabteilung eingeplant werden. Dies ist im vorliegenden Entwurf nicht vorgesehen, sondern es wird nur die Aufstockung von Mitteln für die Naturschutzverwaltung berücksichtigt.
Es folgt eine Kommentierung einzelner Kapitel der Naturschutzstrategie.
Die Stellungnahme bezieht sich auf den Gesamttext-Entwurf, Bearbeitungsstand 100818.

Zu: Leitprinzipien der Kulturlandschaftentwicklung
Eine naturschutzfachlich wertvolle Kulturlandschaft kann nur mit den Menschen und nicht an ihnen vorbei entwickelt werden. Handlungsrundprinzip des Naturschutzes in der Kulturlandschaft ist der partizipative Ansatz mit einer hohen kommunikativen Komponente, Insofern begrüßen wir den Einleitungssatz unter XIII Nr. 1 inhaltlich sehr.

Zu: IV.2. Im Wald geht's um mehr als nur um eine ganze Menge Holz
Alternativer Titelvorschlag: Wald: Vielfältige Vielfalt
- Es gilt das Genannte in der Vorbemerkung: Die Waldnaturschutzstrategie muss erwähnt bzw. eingearbeitet werden.
- Die Naturnahe Waldwirtschaft wird auf die Erhöhung der Biodiversität hin weiterentwickelt. Dabei werden die Totholz- und Zerfallsphase besonders berücksichtigt, ebenso aber auch die lichtbedürftigen Tier- und Pflanzenarten. Dies erfordert eine teilweise Abkehr von der bisherigen "Dunkelwaldwirtschaft".
- Die ökologische Waldforschung muss bei der FVA wiederbelebt werden. Dies schließt Personalstellen für Pflanzen- und Artexperten ein.
- Die naturschutzfachliche Kompetenz innerhalb der Forstverwaltung muss massiv erhöht werden bzw. es sind organisatorische Lösungen mit der Naturschutzverwaltung
zu finden, um den hohen naturschutzfachlichen Anforderungen im Wald gerecht zu werden.
- Die Waldschutzgebietsforschung und -betreuung muss personell und fachlich an der FVA wieder belebt werden.
- Die Umweltzulage Wald als wichtiges Förderinstrument muss auch auf juristische Personen ausgedehnt werden.

Zu: V.1 Landschaftsplanung: Planungssicherheit - auch für die Natur
- Für den Wald fehlt eine naturschutzfachliche Rahmenplanung. Diese könnte in das Instrument der forstlichen Rahmenplanung nach LWaldG einfließen. Die Forstliche Rahmenplanung liegt jedoch seit langem brach. Gerade hinsichtlich von landesweiten Vorranggebieten für den Naturschutz ist eine Synopse wichtig und notwendig.
- In diesem Zusammenhang spielt die Forsteinrichtung eine zentrale Rolle. Die AG Wald hält dieses Instrument nach wie vor für ein sehr geeignetes Instrument, die unterschiedlichen Ansprüche innerhalb eines Waldgebietes aufeinander abzustimmen.
Allerdings wurde die Forsteinrichtung mit naturschutzfachlichen Aufgaben (Waldmodul Natura2000, Waldschutzgebiets-Monitoring, Artenschutz) so stark erweitert, dass eine grundsätzliche methodische Anpassung notwendig erscheint hinsichtlich:
- Erhebungsparametern
- Erhebungsintensität (eine differenzierte naturschutzfachliche Begutachtung ist angesichts des Pensums nicht möglich)
- Es müssen alle Grundlagendaten offen gelegt werden, sowohl von forstlicher als auch naturschutzfachlicher Seite (Arterhebungen etc.)

Zu: V.3: Eingriffsregelung und Ökokonto
- Der Abschnitt "Was ist zu tun?" kann ersatzlos gestrichen werden, weil alle angedachten Maßnahmen bereits umgesetzt sind.
- Das baurechtliche und naturschutzrechtliche Ökokonto sollten inhaltlich und verfahrentechnisch harmonisiert werden. Kommunen und der Öffentlichkeit sind die Unterschiede zwischen baurechtlichem und naturschutzrechtlichem Ökokonto kaum zu vermitteln. Im Verwaltungsalltag zeigt sich vielmehr, dass Kommunen beide Ökokonten führen wollen, um flexibel zu bleiben. Um einen bürokratischen Überbau zu vermeiden, sollten beide Verfahren hinsichtlich Bewertung und Genehmigung angeglichen werden.

Zu: VI.3: Flächige Schutzstrategien
- Schonwälder sind eine in der Naturschutzstrategie 2020 nicht erwähnte Schutzkategorie! Das Schutzzielerreichungsprogramm für Schonwälder sollte seitens der FVA wieder belebt werden. In ihm werden die Schutzziele der Schonwälder auf dem Prüfstand gestellt und Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen erarbeitet.
- Bannwälder sind bereits ökokontofähig - dies ist als "notwendige Maßnahme" zu streichen. Gleichzeitig ist das Erreichen des Flächenziels von 1% der
Gesamtwaldfläche zu betonen.
- Das Waldschutzgebietsprogramm von 1992 muss angesichts neuer Rahmenbedingungen überarbeitet werden. Biosphärengebiete, der anvisierte Nationalpark, der Klimawandel und bisher zu wenig mit Bannwäldern ausgestattete Regionen müssen synoptisch neu bewertet werden. Daraus muss sich ein Aktionsprogramm ableiten, dass gezielt und entschlossen das anvisierte Ziel, ein Prozent der Landesfläche repräsentativ mit Bannwäldern auszustatten, erreicht. (Anmerkung: Seit Wegfall der wissenschaftlichen Stelle zur Bannwaldforschung an der FVA 2007 liegt die wissenschaftliche Betreuung brach! Die Stelle muss dringend durch einen Biologen neu besetzt werden.)

Zu: VI.5: Natur Natur sein lassen und VIII.2: Großschutzgebiete
Die Liste von Flächenarten, in denen Prozess-Schutz zugelassen wird, wird immer länger: Bannwälder, Kernflächen von Biosphärengebieten und dem anvisierten Nationalpark, AuTFlächen; neu hinzu kommen die "Wildnis-Gebiete".
- Es fehlt eine Gesamtstrategie für die Flächenstilllegungen in Baden-Württemberg. In ihr muss der naturschutzfachliche Bedarf landesweit und regionalisiert synoptisch
begründet werden. In die Strategie müssen folgende Aspekte einfließen:
- Gesamtbilanz der stillgelegten Flächen
- räumliche Verteilung
- Größe
- naturschutzfachliche Bedeutung
- Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Rohstoffversorgung
- Verantwortung des öffentlichen Waldes/des privaten Waldes
- Den Flächenstilllegungen steht im Wald insbesondere die Verfügbarkeit der Ressource Holz als umweltrelevanter Rohstoff entgegen. Dies muss in der Gesamtheit
abgewogen werden.

Zu: VI.6: Naturschutzmonitoring und XI.5: Forschung
Die ökologische Grundlagenforschung im Wald liegt an der FVA weitgehend brach.Prozesschutzforschung in den Bannwäldern findet nicht mehr statt. Es müssen endlich belastbare Aussagen über Artenausstattung und Synökologie im Wald möglich sein.
Fundierte Aussagen über natürliche Prozesse, Naturnähebeurteilung, Auswirkungen des Klimawandels sind nur auf dieser Grundlage möglich.
Hierfür müssen Ressourcen zu Verfügung gestellt werden.

Zu: IX.1: Kooperationen und XI.3: Personal
Die Kooperation zwischen Naturschutz- und Forstverwaltung ist auch eine Kooperation!
- Die Zusammenarbeit und teilweise sogar denkbare Zusammenlegung von Aufgabengebieten zwischen Naturschutz- und Forstverwaltung muss geprüft werden.
Zugunsten der Gesamtaufgabe "Naturschutz" müssen ganzheitliche Organisations und Personalmodelle geprüft werden, die ohne Reibungsverluste und mit klaren Zuständigkeiten sowie der notwendigen Fachkompetenz arbeiten können. Im Klartext heißt dies: Die Forstverwaltung muss mit ökologischem, faunistischem und floristischem Sachverstand im Wald erweitert werden. Förster sind auf zusätzliche Sachkompetenz angewiesen, um daraus ganzheitliche und nachhaltige Bewirtschaftungsprogramme zu entwickeln.
- Zur Umsetzung der (wald)naturschutzfachlichen Ziele sollte in jedem Landkreis ein Förster mit ökologischer Spezialisierung für die fachliche Betreuung des
Waldnaturschutzes vorgesehen werden, um der hohen Bedeutung des Naturschutzes im Wald gerecht zu werden.

Zu: IX.3: Landschaftserhaltungsverbände
Die AG Wald weist darauf hin, dass ein Großteil der (Wald-)kulisse durch die Naturparkverwaltung abgedeckt ist. Anstatt eine neue Organisationsstruktur in Form der Landschaftserhaltungsverbände zu etablieren, ist es ratsam, die Beratungskompetenz der Naturparke zu stärken und ihren Förderetat zu erhöhen.

Zu: X.3: Bildung für nachhaltige Entwicklung
- Wald ist das beste Anschauungs- und Identifikationsobjekt für Natur. ForstBW und auch viele Ehrenamtliche und privaten Waldbesitzer führen unzählige Fortbildungsveranstaltungen im Wald im Sinne der BNE durch.
- Die Waldmobile der SDW, die Waldklassenzimmer, die Waldjugendheime sind im gesamten Land präsent und müssen in die Naturschutzstrategie 2020 einbezogen und berücksichtigt werden!

Zu: XIII Naturschutzstrategie 2020 - Die Kernbotschaften
Zu 1. Kernbotschaft: Naturschutz mit den Menschen
Die AG Wald stimmt dem Tenor der Botschaft zu. Wald muss als Teil der Kulturlandschaft jedoch explizit erwähnt werden als naturnahste Landschaftsform.
In diesem Zuge müssen nicht nur Agrarumweltprogramme erwähnt werden, sondern auch forstliche Umweltprogramme.

Zu 3. Kernbotschaft: Effizienz durch Vernetzung
Die AG Wald weist ausdrücklich auf die Rolle der Forstverwaltung in Verbindung mit Naturschutzaufgaben hin. Eine Naturschutzstrategie kann nur dann ganzheitlich sein, wenn
die Forstverwaltung mit einbezogen ist. Daher muss der Aspekt, sich zu vernetzen, unbedingt auch auf die Forstverwaltung ausgedehnt werden. Nur so hält die AG Wald eine zukunftsfähige und ressourcenökonomische Bewältigung der Naturschutzaufgaben für machbar.
Die AG Wald versteht darunter ausdrücklich mehr als nur eine Abstimmung zwischen den Verwaltungen sondern hält eine engere organisatorische Verflechtung für notwendig, ohne dabei die Existenz der beiden Verwaltungen in Frage zu stellen.

Zu 4. Kernbotschaft: Wertschöpfung durch Naturschutz
Der Wertschöpfungsfaktor des Waldes als Ort, in dem unterschiedlichste Ansprüche auf
engem Raum erfüllt werden können, muss herausgehoben werden. Wald ist der Inbegriff von
integrativem Naturschutz, bei dem auch die Nutzung größtenteils möglich ist.

 

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