Mit dem Sächsischen Forstverein durch die Wälder der Slowakischen Republik

Für Forstleute und an Wäldern Interessierte, die im Osten Deutschlands beheimatet sind – dies trifft auf fast alle Reiseteilnehmer zu – ist die Slowakei kein Neuland. Zu Zeiten der DDR bot diese Region eine der wenigen Möglichkeiten, mit vertretbarem Aufwand hohe Mittelgebirge sowie ein Hochgebirge zu erwandern – die Hohe Tatra, das kleinste Hochgebirge der Welt. Viele der Tharandter Forststudenten (zur TU Dresden) haben damals die Gelegenheit genutzt, am alljährlichen Austausch mit der Partnereinrichtung der TU Zvolen teilzunehmen - nachhaltige Eindrücke für das ganze forstliche Berufsleben garantiert.

Bereits im August 2002 – damals unter dem Eindruck des verheerenden Hochwassers in Sachsen – hatte unser unvergessenes Vereinsmitglied und Geschäftsführer, Dr. Siegfried Lange, eine forstliche Studienreise in die Slowakei organisiert und geleitet. Damals waren der Staatliche Forstbetrieb Liptovski Hradok (Niedere Tatra), die Hohe Tatra, die Hohe und die Kleine Fatra, die Region Orava, der Kurort Sliac und die Forstliche Fakultät der TU Zvolen unsere Ziele.

14 Jahre danach freuten sich 24 Interessenten wiederum darauf, Bekanntes und Neues zu entdecken. Eine derartige fachlich geprägte Reise ins Ausland steht und fällt mit guten Kontakten zu örtlichen Partnern und mit der sprachlichen Verständigung. Es war deshalb ein Glücksfall, dass wir mit Frau Jana Tschiedel aus Dresden eine Reiseleiterin gewinnen konnten, die aufgrund ihres forstlichen Studiums an der TU Zvolen und vieler weiterer Bereisungen über eine profunde Kenntnis des Landes, seiner Menschen, deren Sprache und natürlich auch des Waldes und der Forstwirtschaft, verfügt.

Vom 24. Mai bis 04. Juni waren wir per Bus auf Tour. Die Anreise von Dresden durch die Tschechische Republik bis zur westlichen Grenze der Slowakischen Republik ist mit ca. 450 km, zumeist Autobahn, erträglich. Vor uns lag ein mit knapp 50 000 km2 relativ kleines, seit 1993 wieder politisch selbständiges Land am Übergang von Ost- zu Mitteleuropa, seit 2003 Mitglied der EU, seit 2008 auch der Währungsunion. 5,43 Mio. Menschen, zu 80% slowakischer Nationalität, leben hier – 110 Einwohner/ Km2. Standörtlich ist das Landi in 28% Tiefland,  17% Hügelland und immerhin 55% Bergland gegliedert. Es sind geologisch junge, noch wenig abgetragene Gebirge von Granit oder Kalk. Rund 800 Höhlen sowie 1200 Mineral-, Thermal- und Heilquellen  prägen die Landschaft und bieten auch touristische Attraktionen.

Etwa 2 Mio. Hektar,  40% des Territoriums, sind bewaldet (vgl. Deutschland 32%). Hauptbaumart ist mit ca. 30% die Buche, es folgen Fichte (27%), Stiel- und Traubeneiche (12%). Kiefernarten (7%), Hainbuche (6%), Bergahorn und Esche (4%), Weißtanne (4%) und Europ. Lärche (3%) sind je nach Standort wesentliche  Mischbaumarten. In den Mittelgebirgen ist der montane Bergmischwald aus Fichte- Tanne – Buche- Bergahorn weit verbreitet. Robinie und Zerreiche nehmen als wärmeliebende Baumarten  zusammen  4% ein. 71% der slowakischen Wälder sind Wirtschaftswälder ohne bedeutende Beschränkungen. 17% sind Kategorien des Schutzwaldes und 12% Wälder mit anderweitiger besonderer Bestimmung (entsprechend unseren Schutz- und Erholungsfunktionen). Die Bewirtschaftung gestaltet sich häufig schwierig, sind doch 45% der Waldfläche  Seilkrangelände. 46% sind Staatseigentum. Somit hat nach 1990 auf mehr als der Hälfte der Waldfläche  die Restitution oder ein Wechsel des Eigentums stattgefunden.

Die Vielfalt gewonnener Informationen und Eindrücke lässt eine Darstellung im Detail hier nicht zu. Dies bleibt einem speziellen Bericht des Sächsischen Forstvereins vorbehalten. Denkwürdige Objekte der Anschauung und Erkenntnis waren unter anderem:

- sehenswerte und lebendige, bereits überraschend gut restaurierte Städte, Burgen, Schlösser und Kirchen  mit einer langen und wechselvollen Geschichte, zum Beispiel Trencin im Tal der Waag (Vah) mit seiner eindrucksvollen Burg, die alte Bergstadt Banska Stiavnica als Ort des Silberbergbaus und der angeblich ältesten Bergakademie der Welt (1762 – 1919), die Universitätsstadt Zvolen, Banska Bystrica – Zentrum des Slowakischen Nationalaufstandes 1944 oder auch Kezmarok im Zipser Land; Schloss Bojnice, Kastell Antol, die Zipser Burg oder hölzerne evangelische Articularkirchen waren weitere Ziele unserer Reise.

- das Versuchsrevier Kulhan, dessen Eichen- Hainbuchen- Buchenwald auf Kalkmergel im Spiegel herkömmlicher Verjüngung durch schlagweise Wirtschaft nun gemäß den Grundsätzen von Pro Silva ein höheres Maß an Natürlichkeit erlangen soll; Kulissenhiebe und Kleinstkahlflächen können nur nicht recht überzeugen, zumal sich eine hinreichende Naturverjüngung der Lichtbaumart Eiche als wirtschaftliches Ziel damit nicht erreichen lässt – statt dessen setzen sich schattenertragende Hainbuche und Buche durch, das im Dauerwald schwierig bejagbare Schwarzwild tut ein Übriges.

- die Tu Zvolen mit ihrer an gelebten Traditionen reichen Forstlichen Fakultät (700 Studenten, 100 Mitarbeiter, davon 18 Professoren), wo offenbar auf hohem Niveau von Forstwissenschaft und -praxis zahlreiche Fachkräfte ausgebildet werden; ein ortsnaher, ausgedehnter  Schulforstbetrieb bietet Raum für die Beobachtung realer Waldentwicklung und für das forstliche Versuchswesen, so die Umsetzung des neuen Waldbaukonzeptes „Mosaikbestand“, das jedem Entwicklungsstadium Flächen zwischen 0,2 und 0,5 ha in räumlichem Mit- und Nebeneinander bei geplanten  220 Jahren Entwicklungszyklus zumisst. Auch hier ist noch nicht geklärt, wie neben Buche, Fichte, Weißtanne und Bergahorn die wirtschaftlich wertvolle Eiche als Lichtbaumart risikoarm integriert werden kann. Anhand alter Bestände ist sichtbar, was Bäume im Wachstum zu leisten vermögen und dass eine allzeit gute Bekronung  Garant für Stabilität und meist auch Werthaltigkeit ist. Die Bedeutung von starkem Totholz im naturnahen Wald kann man aus erster Hand erleben.

- das seit 1965 bestehende, 50 ha große Arboretum der TU Zvolen, das vor allem die natürliche Varietät heimischer Gehölze in rund 500 Arten und 1000 Formen dokumentiert und archiviert oder der erneuerte Botanische Garten in Tatranska  Lomnica;

- ein Besuch der Slowakischen Forst- und Jagdkammer in Zvolen, wo uns zahlreiche Aspekte der Forst- und Jagdpolitik aus Sicht dieser nichtstaatlichen Organisation im Dienste von Wald, Forst- und Holzwirtschaft dargelegt wurden;

- der Staatsforstbetrieb Cierny Balog (32 000 ha) mit dem eindrucksvollen Reservat von Dobroc, das sich seit 1913 auf dem Weg zurück zum Urwald befindet; Bär, Wolf und starkes Rotwild sind nicht nur hier noch fester Bestandteil des Lebensraumes slowakischer Wälder. Baumhöhen von über 50 m und festgestellte, sich überlagernde natürliche Entwicklungszyklen von 200 (Buche), 300 (Fichte) und 400 (Tanne) Jahren vermitteln ein neues Verständnis von Natur- und Wirtschaftswald.

- die durchaus hoffnungsvolle Entwicklung des Waldes nach der Sturmkatastrophe vom November 2004 im Nationalpark Hohe Tatra auf   12 600 ha (ca. 2 Mio. m3 Schadholz); bei aller Problematik massiven Waldverlustes im Hochgebirge hat nun eine Waldentwicklung in Richtung stabiler, naturnaher Strukturen von hoher Dynamik eingesetzt.

- Orte lebendiger Öffentlichkeitsarbeit,  so das Forstliche Freilichtmuseum von Cierny Balog (150 ha), die der Bevölkerung ein weitgehend reales Bild rund um Wald, Forstwirtschaft  Jagd vermitteln.

Raum und Zeit zum persönlichen Genuss von Natur und Landschaften, so im uralten Eichen- Hutewald „Gavurky“ bei Dobra  Niva, auf der „Magistrale“, dem Höhenwanderweg der Hohen Tatra, oder bei 11 Km  Floßfahrt auf dem Dunajec - einem Grenzfluss zu Polen im Pieniny- Nationalpark, rundeten diese Forstliche Studienreise in angenehmer Weise ab.

Man merkt, welch ein Potenzial in diesem Land, dessen Natur und auch in der Forstwirtschaft steckt. Viele gute, durchaus nachhaltige Entwicklungen sind förmlich greifbar. Alle Teilnehmer waren dankbar für das Erlebte, das beruflich wie privat mit Sicherheit nachwirken wird. Die Nachahmung solcher Reise im Rahmen des Forstvereins oder auch privat wird ausdrücklich empfohlen.

Dr. Klaus Dittrich

einen noch ausführlicheren Reisebericht finden Sie hier als pdf-Datei

Slowakei-Bilder als pdf-Gesamtdatei

Im Schulforstbetrieb der Forstfakultät der TU Zvolen (2.v.l. Prof. Ing. SANIGA) (Foto: M. DOBERENZ)