Hallo und Herzlich Willkommen!ForstvereinSachsen-Anhalt

Die forstliche Interessenvertretung muss weiter gebündelt werden. Die nachhaltige Erhaltung der Waldfunktionen in allen Waldbesitzarten ist dabei unser oberstes Ziel. 

Exkursion der FVST-Regionalgruppe Anhalt in den Sauener Wald

Am 29.06.2023 veranstaltete die Regionalgruppe Anhalt des Forstvereins Sachsen-Anhalt ihre diesjährige Exkursion in den Sauener Wald.

Zusammenfassung

Die diesjährige Exkursion der Regionalgruppe Anhalt führte über 40 Mitglieder und Gäste unseres Forstvereins am 29.06.2023 in den Sauener Wald. Thematisch stand der wirtschaftlich leistungsfähige Beispielbetrieb für einen zukunftsfähigen, klimaresilienten Wald der „Stiftung August Bier für Ökologie und Medizin“ im Zentrum des Interesses. Empfangen wurden die Forstleute von Monique Müller, der Betriebsleiterin der Sauener Forst & Gewerbe GmbH. Das Unternehmen richtet die Behandlungskonzepte für die stiftungseigenen Waldflächen konsequent auf die naturgemäße Waldwirtschaft aus. Im Kernbereich des Reviers Sauen erfolgte die Umstellung auf diese Wirtschaftsweise bereits durch die Waldexperimente des August Bier seit dem Erwerb des Landgutes Sauen im Jahr 1912. Die rezenten Klimaveränderungen geben Anlass dazu, die daraus gewonnenen Erkenntnisse für den  Wald(um)bau zu nutzen. Gegenwärtiges Betriebsziel sind horizontal und vertikal strukturierte, stabile, wuchskräftige und vitale Wälder mit einem Zielvorrat von circa 300 Vorratsfestmeter je Hektar, welche sich unter Beteiligung von nicht einheimischen Baumarten als klimaplastisch erweisen sollen. Anfangs der Exkursion folgte nach der naturräumlichen Einführung die Übersicht über die Waldbesitz- und Betriebsstrukturen. An der Grabstätte August Biers wurde anschließend die Historie des Sauener Waldes seit dem Erwerb durch den Gelehrten von der Betriebsleiterin skizziert. Nach der Ansprache eines Bodenprofils durch Frau Müller wurden vor und nach dem Mittagsimbiss u.a. Waldbilder auf Versuchsflächen mit Lowiana-Tanne (Abies concolor var. lowiana), Türkischer Haselnuss (Corylus colurna) und Schindelborkiger Hickorynuss (Carya ovata) und eine Samenplantage für Vemehrungsgut der Esskastanie (Castanea sativa) besichtigt.

 

Geschichte

August Bier durfte nicht in Eberswalde Forst studieren, weil er sein Abitur nicht gut genug abgeschlossen hatte. Stattdessen entschied er sich für das Studium der Humanmedizin. Seine dennoch fortwährende forstliche Leidenschaft lebte er ab 1912 mit dem Erwerb des Landgutes Sauen (sorbisch „sowa“ für Eule) in seinem Modellprojekt „Sauener Wald“ aus, indem er Gleichgewichte zwischen Gegensätzen im Wald zu schaffen versuchte, um dadurch ein harmonisches Ganzes zu entwickeln. So baute er Nadel- neben Laubbaum, Tief- neben Flachwurzler und Humuszehrer neben -mehrer an. Sein medizinisches Berufsleben wurde durch sein Motto begleitet: „Ein gesunder Organismus ist für die Heilung notwendig.“ Diesen Leitspruch suchte er auch in seinem Sauener Wald umzusetzen, indem er beispielsweise Buchen, Nussbäume und Esskastanien pflanzte, um diese nach wenigen Jahren auf den Stock zu setzen. So sollte die Energie in das Wurzelwachstum gelenkt und damit für Bodenaufschluss und -verbesserung gesorgt werden. Die Verwirklichung seiner damaligen Intention, durch die Einbringung von Laubbäumen wie beispielsweise der Buche in die Kiefernforste, den Bodenzustand zu verbessern, konnte an einem Bodenprofil während der Exkursion in Augenschein genommen werden. Als Standortsformengruppe wurde am Aufschluss ein mittelfrischer, ziemlich armer, unvernässter Standort der trockenen Tieflandslagen (Tt TZ2) ermittelt. Der Betrieb zeichnet sich im Übrigen standortkundlich durch hauptsächlich ziemlich arme bis mittlere Standorte aus und weist teilweise Überdünungen auf. Darüber hinaus bestehen Sonder-Standorte im Bereich der ehemaligen Ziegelei, wo einst Lehm abgebaut wurde. Auch die forstliche Experimentierfreude Biers wird bis heute durch die Anregung und Begleitung zahlreicher Studienabschlussarbeiten und Forschungstätigkeiten fortgesetzt. Beispielsweise wird aktuell die Ausbringung von Magnesiumkalk mittels Drohnentechnik als ein alternatives Arbeitsverfahren im Rahmen der Bodenschutzkalkung erprobt.

Forstbetriebskonzept

Im Forstbetriebskonzept gilt der Grundsatz, dass eine Diversifikation durch viele Baumarten und viele Betriebe verfolgt wird. Letzteres drückt sich auch in der von der Stiftung August Bier gegründeten Sauener Forst & Gewerbe GmbH aus, welche neben den stiftungseigenen Waldflächen auch solche von Freunden und mit der Stiftung und deren Betriebskonzept vertrauten Dritten betreut. Darüber hinaus gelten die vier waldbaulichen Grundsätze des Professoren August Biers bis  heute fort. Diese sehen vor, dass das Wasser in den Waldflächen gehalten, Wind- und Bodenschutz betrieben und ein biologischer Forstschutz umgesetzt werden soll. Dies spiegelt sich in Maßnahmen wie der künstlichen Anstauung von Gewässern, der Waldaußenrandgestaltung an Wald-Feld-Grenzen, der Eindämmung von Grasdecken durch Etablierung mehrschichtiger Waldbestandsstrukturen, dem Erhalt von Alt- und Biotopbäumen und dem Anbringen von Nisthilfen für den Vogelschutz sowie der Einbringung und Erhaltung von seltenen Baum- und Straucharten wider. Insbesondere im Hinblick auf die schon zu verzeichnenden und für die Zukunft prognostizierten klimatischen Veränderungen sowie die gesellschaftlichen Ansprüche an die Wälder ist das Forstbetriebskonzept dahingehend als zukunftsweisend anzusehen, weil der Betrieb in seiner Ausrichtung in gleichwertiger Weise sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Aspekte bei der Waldbewirtschaftung vorbildlich berücksichtigt.
Im Stammrevier Sauen bilden die Arbeitsgassen mit einem von Gassenmitte zu -mitte gemessenen Abstand von 30 m die Feinerschließung als Voraussetzung für die Holzernte und -bringung.
Bei der Nutzung der Waldbestände bleiben grundsätzlich 10 bis 15 % des Vorrats als Überhalt auf der Fläche, um in Form von Samenbäumen für die natürliche Verjüngung zu sorgen. Es wird angestrebt, dass sich Natur- und Kunstverjüngung anteilig die Waage halten. Letztere Hälfte soll sich dabei aus einem Anteil von 60 % Saat und 40 % Ergänzungspflanzung zusammensetzen. Bei der Baumartenwahl gelten Robinie und Esskastanie betriebsintern mittlerweile als heimische Baumarten. Nicht heimische Baumarten wie Türkische Hasel, Silberlinde, Schwarznuss, Japanische Walnuss und Hybridnuss finden darüber hinaus Verwendung. Die Verjüngung wird mit dem Blockzahngrubber (z.B. Moheda Kulla-Kultivator) oder dem TTS-Anbaugerät („Wildsau“) vorbereitet. Standortabhängig werden im flächengewogenen Mittel über den gesamten Betrieb gesehen 5 bis 10 Baumarten angestrebt. Der Betrieb setzt insbesondere bei Pflegemaßnahmen auf eigenes Personal, weil dem Personal von Fremdfirmen häufig genug das notwendige fachliche Hintergrundwissen fehlt und demnach nicht den Qualitätsanforderungen des Betriebs entsprechen kann. Der 8 – 12 Personen beschäftigende Betrieb beginnt aufgrund der Altersstruktur der Forstwirte im eigenen Betrieb noch im Jahr 2023 mit der Ausbildung eigener Fachkräfte.

Jagdbetriebskonzept

Dass Jagdausübung im Betrieb als Dienstleistung für den Wald angesehen wird, zeigt sich an der Ausgestaltung des Jagdregimes. Es erfolgt keine Verpachtung der dem Unternehmen Sauener Forst & Gewerbe GmbH anvertrauten Flächen. Stattdessen kommen hauptsächlich junge, motivierte und agile Menschen zum Einsatz, welche untereinander netzwerkartige Strukturen in sieben Eigenjagdbezirken aufbauen. Beispielsweise teilen die Jagenden die zur Verfügung stehenden Jagdeinrichtungen mit Hilfe von digitalen Tabellen untereinander auf, sodass es zu keinen Missverständnissen hinsichtlich der Besetzung der Stände und entsprechender, gegenseitiger Störung beim Angehen der Sitze kommt. Ökonomische Anreize werden für die Jagenden geschaffen, indem das Wildbret des eigenen, erlegten Wildes vom Erleger behalten werden darf, Fahrt- und Technikgeld vom Betrieb ausgezahlt wird und die Jagenden an gemeinsamen Fortbildungen und kostenlos an Drückjagden des Betriebs teilnehmen. Als Resultat ergeben sich aus u.a. diesen jagdlichen Rahmenbedingungen 3 - 4 Stücken Rotwild und 15 Stücken Rehwild pro 100 Hektar bejagter Fläche. Dies schlägt sich auch in der nachlassenden Notwendigkeit des Zaunbaus zum Schutz von Verjüngungsflächen nieder.

 

Textautor: Philipp Kob