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Haben Rotbuche (Fagus sylvatica) und Hügelgräber etwas gemeinsam?

von Hans-Ulrich Dombrowsky, Geisenheim

In Hessen gilt die Rotbuche als „Mutter des Waldes“, Teile Osthessens hießen auch wegen dieser weitverbreiteten Baumart „Buchonia“. Hessen wird mithin heute gerne als Buchenland bezeichnet, als von der Rotbuche geprägt, womit diese Baumart gewissermaßen als „gesetzt“ im Sinne einer Unveränderlichkeit gilt. Diese sehr statische Betrachtungsweise haben sich gerade einige Naturschutzverbände zu eigen gemacht.

Doch ist eine solche statische Betrachtungsweise richtig und wird sie der Geschichte der Waldentwicklung gerecht? Um diese Frage gleich zu beantworten: nein, erst die Verknüpfung klima- und daraus folgender vegetationsgeschichtlicher Entwicklungen und der Einfluss des Menschen auf den Wald ergeben ein schlüssiges Gesamtbild, was anhand bronze- und eisenzeitlicher Hügelgräber beleuchtet werden soll. Anders ausgedrückt: wer diese Aspekte und Faktoren aus seinen Überlegungen ausklammert und der Auffassung ist, dass in einem Wald alles so bleiben wird und müsse, wie es sich gegenwärtig darstellt, begibt sich auf einen Irrweg, der schnell ideologischen Charakter annehmen kann.

Betrachtet man die mitteleuropäischen Wälder des Tertiärs, dann setzten sich diese nicht nur aus Baumarten zusammen, die mit den dort heute vorkommenden Baumarten verwandt sind oder als deren Vorläufer gelten können, sondern auch aus Magnolien, Sumpfzypressen, Schirmtannen, Douglasien (nachgewiesen z.B. im Rhein-Main-Gebiet), Hemlocktannen, Amber- und Ginkgobäumen, Tulpenbäumen, Hopfenbuchen, Spindelbäumen usw. – neben Eichen, Buchen und Ulmen sehr ähnlichen Arten, die als Vorläufer dieser hier heute verbreiteten Baumarten anzusehen sind. Zum Ende des Tertiärs, als sich die Jahresdurchschnittstemperaturen in Nord- und dem nördlichen Mitteleuropa sowie im Alpenraum um den Gefrierpunkt herumbewegten, starben vieler dieser Baumarten aus.

Die sich anschließenden Eiszeiten mit ihren durchaus warmen Interglazialen und den kürzeren und nicht so warmen Interstadialen führten zu einem Aussterben der Baumarten während der eigentlichen Vereisung (auch im Umfeld des bis zu 3.000 Meter dicken Eispanzers), während sich in den längeren und wärmeren Interglazialen zunächst Birken und Kiefern, später Hasel, Eiche, Ulme, Linde und noch später Fichte, Tanne und Buche verbreiteten. In den relativ kurzen und deutlich kälteren Interstadialen reichten die Temperaturen für die wärmeliebenden Baumarten wie Eiche, Tanne und Rotbuche nicht mehr zum Gedeihen, sondern Birke, Fichte und Kiefer übernahmen die Herrschaft, wobei gerade die Fichte Regionen besiedelte, in denen sie heute natürlicherweise nicht mehr anzutreffen ist (Emsland, Südengland). Mit jeder neuen Kaltphase wurde die Zahl der Baumarten geringer. All diese Erkenntnisse stammen aus Pollenanalysen und Pollendiagrammen.

Mit dem Ende der Eiszeiten, von denen die letzte, die Weichsel- oder Würm-Eiszeit, am stärksten ausgeprägt war, ändert sich das Bild des nun ganz allmählich wieder entstehenden Waldes gravierend, weil es deutlich wärmer wurde: Neben den südosteuropäischen Grassteppen und mitteleuropäischen Strauchtundren begann nun auch der Wald langsam wieder vorzudringen. Hier handelte es sich je nach Klimabereich um Baumarten wie Kiefern, Lärchen, Birken, Weiden, Pappeln in Nordwesteuropa und Kiefern auch am Rande der Alpen und nördlich der Karpaten. Die Wälder waren relativ licht und enthielten auch Flächen mit der Flora des Offenlandes. Im 11. Jahrtausend v.Chr. wurde das Klima wieder deutlich kühler und das Vorrücken des Waldes wurde durch das erneute Anwachsen der Gletscher unterbrochen. Vor etwa 10.000 Jahren gab es wiederum eine Klimaerwärmung, welche das Vorrücken der Fichte aus ihren nordrussischen und osteuropäischen Refugien (Karpaten und Ostalpen) und deutlich höhere CO2-KonzentraMonen in der Atmosphäre als zum Höhepunkt der Eisbildung zur Folge hatten. Zu dieser Zeit gab es den englischen Kanal noch nicht, somit hatte der Golfstrom auch nur einen sehr geringen Einfluss auf die mittel- und nordeuropäischen Klima- und Vegetationsbedingungen, das Klima war also immer noch kontinental geprägt. Das änderte sich wiederum mit einer weiteren Klimaerwärmung und der Bildung des englischen Kanals um etwa 9.000 v.Chr., als das Klima ozeanischer wurde: längere Vegetationsperioden, eher milde Winter. Der nun beginnende Einfluss des Golfstromes wurde deutlich. Damit wurde es auch um 8.000 v.Chr. (mittleres Holozän) deutlich feuchter. Um 6.000 v.Chr. begann das sog. Atlantikum, das bis ca. 3.000 v.Chr. dauern sollte. Die Jahresdurchschnittstemperaturen lagen um 2°-3°C höher als im ausgehenden 20.Jahrhundert, die Alpengletscher waren weitgehend abgeschmolzen, vom Nahen über den Mittleren Osten bis nach Indien herrschte ein humides Klima, der Meeresspiegel war deutlich höher als heute und manche großen Seen hatten sich zu Binnenmeeren entwickelt wie der Tschad-See. Diese erhebliche Klimaänderung verzögerte oder unterbrach sogar die weitere Ausdehnung der Fichte nach Westen, weil sie Laubbaumarten begünstigte. Hier sind Eichen, Ulmen, Linden und Eschen zu nennen, aber auch die aus Südosteuropa vordringende Hainbuche. Aus Süditalien bis Griechenland drangen Tannen über den Apennin (und Eiben aus dem Bereich der Südalpen) um die Westalpen herum nach Norden und Westen vor. Über große Zeiträume war das westliche Mitteleuropa um 9.000 v. Chr. auch von sich explosivartig ausbreitenden Haselsträuchern geprägt, die Kiefer, Birke und Fichte (die Fichte ihrerseits bedrängte Kiefern und Birken) in ihrer Verbreitung regelrecht „ausgebremst“ haben und die vom Menschen als wertvolle Ernährungsgrundlage sogar gefördert und damit verbreitet worden sein könnten. Allerdings wurden sie nach und nach immer stärker von den genannten Laubbaumarten durchsetzt, und diese verdrängten diejenigen Birken und Kiefern, die der Hasel bisher verschont hatte. Dabei bildeten sich keine in ihrer Baumartenzusammensetzung gleichmäßig geformten „Eichenmischwälder“, sondern es gab deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung je nach Nährstoff- und Wasserhaushalt der Böden.

Langsam weitete sich auch das Verbreitungsgebiet der Rotbuche aus, die wie erwähnt im Tertiär einen botanischen, der heutigen Form sehr ähnelnden Vorläufer hatte: ihr Verbreitungsgebiet weitete sich langsam aus. Es reichte zunächst von Südeuropa zunächst bis an die Südalpen und umfasste in einer beidseitigen Flankenbewegung die Alpen-Barriere bis in die südlichen Mittelgebirgslagen (Schwarzwald, Vogesen, Mittelgebirge um das Böhmische Becken). In tieferen Lagen und in den nördlichen Mittelgebirgen kam sie zunächst nicht vor. Die Wanderung der Rotbuche in Mitteleuropa nach Norden dauerte mehrere tausend Jahre, sie begann etwa 7.000 v.Chr. und fand ihren Abschluss zu Beginn des Mittelalters. Etwa im 4. Jahrtausend vor Chr., also mitten im klimatisch besonders günstigen Atlantikum, hat sich die Buche wohl verstärkt ausgebreitet. Und das hat offenbar vor allem mit dem Menschen zu tun.

Schon in der Zeit des homo heidelbergensis gab es menschliche Einflüsse auf den Wald, wovon die gut ausbalancierten Jagdspeere, die man im Harzvorland in einem Braunkohlentagebau bei Schöningen im Jahre 1997 fand, zeugen. Sie wurden auf ein Alter von 229.000 bis 337.000 Jahre taxiert. Zur Herstellung dieser Speere benötigte man Holz, ebenso zum Heizen und Bereiten von Speisen.

In der Jungsteinzeit begannen die Menschen dann mit dem Bau von nicht besonders langlebigen Langhäusern aus Holz in Ständerbauweise, in denen Sippen aus ca. 100 Personen wohnten. Die Wände der Häuser bestanden aus mit Lehm verschmierten Flechtwerk. Für das Ständerwerk, die Dach- und Firstbalken benötigte man gerade gewachsenes, langschäftiges Holz, bevorzugt Hartholz wie Eiche. Holz wurde ebenso zum Heizen und Kochen sowie für zahlreiche Geräte und Werkzeuge benötigt. Um 8.000 v.Chr. gelangten dann Kulturpflanzen (verschiedene Getreidearten) nach Mitteleuropa, für deren Anbau Wald gerodet werden musste. Man schätzt, dass für eine Zahl von 100 Personen hierfür Rodungen in einer Größenordnung von etwa 35 ha notwendig waren. Gerodet wurden lössüberlagerte Waldflächen, also die besseren Waldstandorte. Weidewirtschaft im heutigen Sinne kannte man damals noch nicht, die wenig anspruchsvollen Rinder-, Schaf-, Ziegen- und Schweine-Rassen wurden in den die Siedlungen umgebenden Wald getrieben (die Weidehaltung von Vieh auf Wiesen war noch unbekannt), um sich dort von Gräsern, krautigen Pflanzen und Baumtrieben zu ernähren. Im Winter wurde das Vieh, wenn im Wald nichts mehr zu finden war, von Laubheu ernährt, das gewonnen wurde, indem man junge Baumtriebe und Zweige mit nährstoffreichen Blättern von Esche, Linde, Ulme und Hasel gleich nach Laubaustrieb abhieb (das sog. Schneiteln), über den Sommer hin trocknete und im Winter verfütterte. Es ist übrigens erwiesen, dass mit diesem Abschlagen von Trieben das erste große Ulmensterben um 5.000 v.Chr. ausgelöst wurde, weil die Ulmen durch die Triebverletzungen geschwächt wurden und der Große Ulmensplintkäfer zudem das Eindringen von Pilzen, die das Laub verdorren ließen, beförderte. Die Folge war ein massiver Rückgang der Ulme in den Wäldern.

Dies und die Tatsache, dass sich auf solchen von Mensch und Vieh genutzten Flächen im Laufe weniger Jahrzehnte immer weniger Winternahrung für das Vieh und immer weniger oder überhaupt keine langschäftigen Eichen mehr fanden, und die Holzhäuser nach einigen Jahrzehnten anfingen zu faulen und unbewohnbar zu werden, machten häufige Umsiedlungen mit erneuten Rodungen von Wald für den Ackerbau erforderlich – dauerhafte, ortsfeste Siedlungen kamen erst viel später auf. Die aufgegeben Ackerflächen, Lichtungen und verlichteten Waldflächen holte sich der Wald zurück, der einige Jahrhunderte später durchaus erneut gerodet und für den Hausbau und als Viehweide genutzt werden konnte. An der Wiederbewaldung beteiligt waren zwar Eiche, Esche, die Ahornarten, Hasel und Weiden, aber vor allem und zunehmend die Rotbuche, die im Atlantikum besonders günstige Bedingungen fanden, wobei die Rotbuche als schattenertragende Baumart im Vorteil war. Auf den gelichteten Flächen wuchs wieder ein geschlossener Wald nach, der sich in seiner Baumartenzusammensetzung deutlich von derjenigen unterschied, die vor den Eingriffen des Menschen in den Wald vorhanden war. Insgesamt begann die menschliche Prägung des Waldes vor etwa 7.000 Jahren. Hinweise auf frühe Siedlungen und Viehhaltung in geschlossenen Waldgebieten liefert auch heute noch z.B. der stickstoffliebende Schwarzer Holunder.

Möglicherweise hätte sich die Rotbuche, die heute als besonders charakteristisch für mitteleuropäische Wälder gilt, auch ohne den menschlichen Einfluss auf Wald und Landschaft ausgebreitet, aus Pollendiagrammen lässt sich jedoch ersehen, dass die Rotbuche in vielen Gegenden Europas mit Beginn des vorgeschichtlichen Ackerbaus häufiger zu werden beginnt, wobei der Grad bzw. die Intensität der Ausbreitung wohl nicht ganz gleichmäßig und linear verlief, sondern eher etwas wellenförmig, aber insgesamt langsam, so dass der Abschluss der Rotbuchenverbreitung in Mitteleuropa ins Mittelalter datiert wird.

Mit Änderung der Sozialstrukturen änderte sich auch die Art der menschlichen Behausungen: Langhäuser, die mehreren Familien als Unterkunft dienten, verschwanden immer mehr zugunsten von kleinen Holzhütten, in denen eine Familie wohnte. Der Grund für diesen „Einfamilienhausbau“ mag vielleicht auch darin zu finden sein, dass ältere, lange, geradschaftige Eichen inzwischen selten geworden waren, weil sie z.B. von der Buche aus den Wäldern herausgedunkelt worden war. Vielleicht standen nur noch schwächere, kurzschaftige Eichen für den Bau von Häusern zur Verfügung.

Der Bau dieser kleinen Holzhäuser bzw. Hütten dürfte noch nicht zur Anlage größerer Dörfer geführt haben, allenfalls zu kleinen Weilern. Dieses vorgeschichtliche Siedlungswesen hielt sich über Jahrtausende.

Die vorgeschichtliche Entwicklung dauerte von der Jungsteinzeit über die Kupfer- und Bronze- bis zur Eisenzeit. Während in der Jungsteinzeit für die Herstellung von Werkzeugen und Jagdgeräten ausschließlich Steine, Knochen und Holz dienten, erweiterte sich nun das Spektrum um verschiedene Metalle wie Kupfer, Bronze und Eisen, mit denen auch der Ackerbau effizienter betrieben werden konnte, indem in der Eisenzeit (800 v.Chr. bis 100 n.Chr.) auch steinigere Böden bearbeitet werden konnten. Es entstanden allmählich größere Siedlungen und größere Wirtschaftsflächen, der Wald wurde gerodet und die Waldfläche zurückgedrängt und fragmentiert. Wiederum wurde das Vieh in den Wald getrieben und wiederum wurden Siedlungen und Ackerflächen nach einigen Jahrzehnten aufgegeben und sich selbst überlassen, die gerodeten Waldflächen wurden anschließend vom Wald erneut erobert. Wo die Rotbuche noch nicht vorhanden war, erschien sie jetzt. Ihre Verbreitung wurde damit vom Menschen massiv, aber sicherlich unbewusst gefördert, obwohl Buchenholzkohle auch zur Gewinnung und Verarbeitung von Metallen benötigt und gegenüber anderen Baumarten präferiert wurde.

Natürlich spielten auch Gletscheroszillationen und die davon ausgehenden Klimaschwankungen eine gewisse Rolle, weil sich aber die Ausbreitung der Buche in Mitteleuropa bis hin nach Südskandinavien von klimatisch günstigen Tieflagen bis in die klimatisch eher ungünstigen höheren Gebirgslagen über Jahrtausende vollzog, aber die Veränderungen der Waldvegetation hinsichtlich ihrer Zusammensetzung nicht überall zur gleichen Zeit auftraten, dürfte der Einfluss des Menschen auf die Baumartenzusammensetzung und die Verbreitung gerade der Rotbuche wohl deutlich größer gewesen sein als Schwankungen des Klimas.

Wenn man die Entwicklung und den Status eines Waldgebietes ergründen und verstehen will, dann sind nicht nur forstgeschichtliches, sondern auch vegetationsgeschichtliches und geobotanisches Wissen hilfreich. Spannend und befruchtend wird dies besonders dann, wenn auch noch anthropologische, geschichtliche und sogar archäologische Erkenntnisse einbezogen werden können.

Hier seien dies am Beispiel des Rheingauer Waldes die bronze-, wohl aber eher überwiegend eisenzeitlichen Hügelgräber (im angrenzenden Mittelrheintal gibt es Hügelgräber, die eindeutig in die Bronzezeit [2.000-800 v.Chr.] zu datieren sind): Wo Menschen leben, müssen sie auch nach ihrem Tod bestattet werden.

In der vorgeschichtlichen Zeit siedelten die Menschen des Rheingaus nicht oder kaum am Rheinufer, denn es kam immer wieder zu Überschwemmungen. Davon zeugen noch heute existierende Flurnamen wie „Laach“ (auch „Lach“ geschrieben), ein keltischer Begriff für Überschwemmungsgebiet bzw. Sumpfland, der sich nicht nur im Rheingau, sondern auch an der Mosel erhalten hat. Dort siedelte man also besser nicht, und hätten moderne Stadtplaner Kenntnis dieses mit einer Warnung versehenen Begriffs gehabt, wären manchem Häuslebauer sehr unangenehme Erfahrungen mit Hochwasser erspart geblieben. Außerdem waren diese versumpften Ufer- und Auewaldbereiche häufig malariaverseucht (wohl Malaria tertiana) und wurden daher gemieden. So siedelten die vorgeschichtlichen Menschen im Rheingau in den höheren und ebenen Lagen des Rheingauer Waldgebirges, wo sich auch – mit einer Ausnahme im heutigen Eltviller Stadtwald auf einer etwas stärker geneigten Fläche – die Hügelgräber befinden. Selten sind es Einzelgräber, eher kleine Gruppen von 3 bis zu ca. 20 Gräbern, in unregelmäßigen Abständen zueinander errichtet, unterschiedlich groß und hoch. Sie finden sich vom Niederwald oberhalb von Rüdesheim am Rhein bis tief in den sog. Hinterlandswald. Manche auch in der Nachbarschaft des „Rennwegs“, eines heute als Hauptforstweg genutzten Waldweges, der schon in keltischer Zeit einer der Hauptverbindungswege zwischen den keltischen Siedlungszentren bei Trier und der Wetterau war. Wie weit diese Grabhügel, die eine abgeflachte Kuppe aufweisen und Höhen von 0,3 - ca.1,5 m aufweisen, von den Kleinsiedlungen und Ackerflächen entfernt lagen, ist nicht bekannt, aber sehr groß dürfte die Entfernung kaum gewesen sein.

Soweit dem Verfasser bekannt, hat es die ersten systematischen Ausgrabungen 1863 durch den Nassauischen Verein für Altertumskunde und Geschichtsforschung mit Unterstützung der nassauischen Forstverwaltung im Bereich des ehemaligen Gebück-Bollwerks Weißenthurm, des sog. Bordekreuzes und des „Hörkopfes“, eines bewaldeten Basaltkegels in der weiteren Nachbarschaft, gegeben. Raubgrabungen dürften bereits früher vorgekommen sein, später hat der an Archäologie und Geschichte sehr interessierte Kaiser Wilhelm II. auch einige Grabungen aus seiner Privatschatulle finanziert.

Man hat in den aus größere Steinen gefassten und auch damit abgedeckten Grabkammern meistens tönerne Urnen (einmal sogar zwei), manchmal auch nur Holzkohle oder schwarze Erde ohne jegliche Grabbeigaben gefunden (letzteres deutet wohl auf Leichenbrand oder auf eine unverbrannte Leiche hin) und dazu in unterschiedlicher Verteilung Bronze- und Eisenringe, einen Bronzereifen, einige eiserne und bronzene Schwerter, bronzene Fibeln, Reste von Gürtelbeschlägen, Pferdeknochen, sonstige Knochenreste, Steinmeißel und einschneidige Messer mit dickem Rücken. Keine Schätze also – die dort begrabenen Menschen besaßen keine Reichtümer. Untersuchungen zur Ermittlung des Alters der Knochenreste konnte man seinerzeit noch nicht durchführen; sie standen damals auch nicht im Mittelpunkt des Interesses. In der Nähe dieser Grabfelder sind die Reste zweier Öfen zum Schmelzen von Eisenerz bekannt. Der Name „Eisenberge“ für einen kleinen bewaldeten Höhenzug auf dem Kamm des Rheingau-Gebirges im Stadtwald Geisenheim deutet auf das Vorkommen von eisenerzhaltigem Gestein hin. Und zum Schmelzen benötigte man Holz, bevorzugt Rotbuche, deren Verbreitungsgebiet sich ja schon erweitert hatte und weiter in ihrer Ausdehnung begriffen war.

Kommen wir nun zu einem Resümee dieser Ausführungen:

  • Allein schon bedingt durch erdgeschichtliche und klimatische Veränderungen befinden sich Pflanzen- und damit auch Waldgesellschaften hinsichtlich ihrerZusammensetzung in einem beständigen Wandel. Panta rhei, um mit Heraklit zusprechen.
  • Durch die aufgezeigte Einflussnahme des vorgeschichtlichen Menschen wurde dieserWandel noch massiv verstärkt; durch Rodungen, Vieheintrieb und Holzentnahmegeprägte Flächen konnten sich auf natürliche Weise wieder bewalden, aber dieseWiederbewaldung entsprach in ihrer Baumartenzusammensetzung nicht mehr derursprünglich angetroffenen Zusammensetzung. Dieser Prozess war irreversibel, esentstand ein Wald aus zweiter Hand, wie es der Geobotaniker H. Küster einmalformuliert hat.
  •  Die Rotbuche war Profiteur der menschlichen Einflussnahme auf mitteleuropäischeWälder und prägt diese bis heute stark. Insofern gibt es auch historischeGemeinsamkeiten und zeitliche Überschneidungen zwischen dem Auftreten derHügelgräber und der Ausbreitung der Rotbuche. Verkürzt ausgedrückt, ist sie einKulturfolger des Menschen geworden. Das Prädikat „Mutter des Waldes“ kann manihr aus vegetationsgeschichtlicher Sicht nicht zuordnen. Wie wir gesehen haben, hatder Wald viele „Mütter“.
  • In Anbetracht des gegenwärtigen Klimawandels und der beobachteten, örtlichmassiven Schäden an Rotbuchen zeichnet sich wieder eine Änderung derBaumartenzusammensetzung in unseren Wäldern ab.
  • Deshalb muss auch die Frage gestellt werden, ob pflanzensoziologische Begriffe wiedie „Schlusswald-Gesellschaft“ oder die „Potentielle Natürliche Vegetation (PNV)“überhaupt noch einen Sinn ergeben, wenn sie ihn denn jemals hatten.

 

Verwendete Literatur:

  • Behringer, Wolfgang, Kulturgeschichte des Klimas, München 2019
  • Radkau, Joachim, Holz – Wie ein Naturstoff Geschichte schreibt, München 2018
  • Küster, Hansjörg, Geschichte des Waldes, München 2013
  • Küster, Hansjörg, Der Wald, München 2019
  • Nassauischer Verein für Altertumskunde und Geschichtsforschung, Nassauische Annalen Nr.7, 1864
  • Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Bodenschutzdenkmäler unter Wald im LiDAR-Scan – Digitale Handreichung für Forstbedienstete, Hessen-Archäologie 2018
  • Fischer, Anton, Untersuchungen zu Populationsdynamik am Beginn von Sekundärsukzessionen, Berlin, Stuttgart 1987
  • Frankopan, Peter, Zwischen Erde und Himmel (Klima – eine Menschheitsgeschichte), Berlin 2023