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Forstverein in der DDR

Auszug aus dem Buch "Verantwortung für Generationen - 100 Jahre Deutscher Forstverein" von Hans-Jürgen Wegener (Seite 220-228)

Eigenständigkeit kostet Geld. Das war kein Hemmschuh bei den Zukunfts- überlegungen. Personell und finanziell war man abgesichert. Die awig stellte der ZFK Forstwirtschaft eine bereits zugesagte Kraft zur Verfügung und trug ale entstehenden Kosten, weil die bereits bezahlten Mitgliedsbeiträge sat- zungsgemäß für derartige Ausgaben zur Verfügung standen. Die awig war auch bereit, einen Forst- verein mit einer Satzung (abgestimmt mit dem awig-Statut), eigenem Vorstand und eigenen Fachgremien, mit einer Gliederung in Landesverbände und einem vom Forstverein zu wählenden Präsidenten, der zugleich Vizepräsident der awig sein solte, zu akzeptieren. Wie angekündigt, fand am 20./21. März 1990 in der „Zentralen Betriebsakademie Forstwirtschaft" in Grillenburg im Tharandter Wald die ZFK-Klausurtagung stat. Erster Tagesordnungspunkt „Zur Situation der awig und zum Stand der Vorbereitung der Bildung eines Forstvereins". Die Herren Professor Dr. Siegfried Prien, Dr. Bernhard Morawietz und Professor Dr. Werner Föhr trugen vor. Kontroverse Diskussionen gab es um den eventuellen Verbleib in der awig, den Namen, die Abgrenzung zum „Berufsverband der Forstleute in der DDR" und der Gewerkschaft usw. Es ging aber auch um die Grundfrage, ob es überhaupt richtig sei, einen Forstverein der DDR zu gründen. Einige sahen die Wiedervereinigung rasch kommen und waren ausschließlich für die Gründung von Länderforstvereinen. Thüringen gehörte dazu. Dennoch gründete sich ein „Forstverein der DDR e.V.", wurde eine vorläufige Satzung angenommen, ein geschäftsführender Vorstand gewählt und empfohlen, Landesforstvereine zu bilden. Es wurde festgelegt, daß bei der „Wissenschaftlichen Jahrestagung" mi September 1990 in Eberswalde über den Verbleib in derawig oder den Austritt aus dieser Institution beschlossen und über Fortsetzung oder Einstellung der Tätigkeit eines zentralen Forstvereins der DDR beraten werden soll (Prien 1990b).
Wichtig für die damaligen Grillenburger Überlegungen und die weitere Entwicklung ist eine Tendenz, die Professor Prien in seinem Rechenschaftsbericht (1990a) wie folgt beschrieben hat: „. . . Die sehr aktive Mitarbeit unserer Mitglieder Oberförster W. Avemark, seit 7. April 1990 Präsident des Berufsverbandes der Forstleute, und Dr. E.Tauchnitz, Gewerkschaft Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, trug wesentlich dazu bei, daß bereits in Grillenburg die Erkenntnis reifte: Ale drei Organisationen, also der Forstverein, der Berufsverband der Forstleute (analog zum Bund Deutscher Forstleute, BDE, in der BR Deutschland) und der Verband der Forstangestellten innerhalb der Gewerkschaft Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben ihr spezifisches Aufgabenprofil und damit ihre Berechtigung. Es kommt vielmehr darauf an, bei bestimmten Sachanliegen im Interesse unserer Mitglieder koordiniert und konstruktiv zusammenzuarbeiten". Zum Vorsitzenden des geschäftsführenden Vorstandes des Forstvereins der DDR e.V. wurde Professor Dr. Siegfried Prien und zu seinem Vertreter Professor Dr. Werner Flöhr gewählt.
Unabhängig von dieser erstaunlichen Entwicklung waren Kontakte zum Deutschen Forstverein geknüpft worden. Bereits am 25. Januar 1990 hatte sich Professor Prien als Leiter der Zentralen Fachkommission Forstwirtschaft an den Präsidenten des Deutschen Forstvereins Franz Freiherr Riederer v. Paar gewandt. In seinem Schreiben informierte er über die Vorbereitungsarbeiten zur Bildung eines Forstvereins der DDR und zur Gründung von Länderforstvereinen. Das war der Anfang eines konstruktiven Gedankenaustausches, der am 29./30. März 1990 zu der ersten Begegnung in Oberhof im Thüringer Wald führte und bei der auch eine Exkursion zur Waldschadenssituation stattfand. Beteiligte von der Ostseite waren: der Vorsitzende des geschäftsführenden Vorstandes des Forstvereins der DDR, Landforstmeister Professor Dr. Siegfried Prien, der Vizepräsident der awig, Oberlandforstmeister Dr. Bernhard Morawietz, und der bisherige Leiter der Bezirksfachkommission Forstwirtschaft Suhl der awig, Dr. Eberhard Lucke. Von der Westseite nahmen teil: der Präsident des Deutschen Forstvereins, Frhr. Riederer v.Paar, sein Geschäftsführer, Oberforstrat H.-P. Fritzsche, der Vorsitzende des Bayerischen Forstvereins, Ltd. Forstdirektor Walter Hartmann, der Vorsitzende des Baden-Württembergischen Forstvereins, Forstdirektor Eberhard Härle, und der Vorsitzende des Forstvereins Rheinland-Pfalz/Saarland, Ltd. Forstdirektor Gerhard Gatzen. Es war ein gutes und harmonisches Gespräch, dem weitere in Regensburg, München und in Würzburg oder Leipzig folgen sollte. Terminschwierigkeiten verhinderten sie schließlich. 
In fast „atemberaubendem" Tempo entwickelten sich die Dinge weiter.
Am 31. März wurde in Schwarzburg der Thüringer, am 12. Juni in Kyritz der Brandenburgische Forstverein gegründet. Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt folgten im Laufe des Jahres. Im Juni 1990 wurde mi Präsidium der awig noch einmal intensiv überlegt, wie man die Forstleute doch noch von der Bildung selbständiger Forstvereine außerhalb der awig zurückhalten könne. Ohne Erfolg!
Klar wurde nun aber auch, daß der Forstverein der DDR keinen langen Bestand haben würde. Die Wiedervereinigung war schneller zu erwarten, als man zunächst vermutet hate, und dei Beitrittsüberlegungen der Forstvereine in der DDR zum Deutschen Forstverein konkretisierten sich mehr und mehr. Ein nun fälliges Gespräch zwischen dem Deutschen Forstverein und dem Forstverein der DDR wurde für die "Wissenschaftliche Jahrestagung" am 19./20. September 1990 in Eberswalde festgesetzt. Vizepräsident Hans- Jürgen Wegener, Vorsitzender des Forstvereins für Nordrhein-Westfalen, wurde mit dessen Wahrnehmung beauftragt, da der Präsident wegen einer dienstlichen Überseereise verhindert war. Der Gesprächsverlauf war ebenso harmonisch wie der in Oberhof. Sicher schwang ein Stück Emotionalität mehr mit, denn nun stand die Wiedervereinigung unmittelbar vor der Tür! Als stellvertretender geschäftsführender Vorsitzender des Forstvereins der DDR wirkte Professor Flöhr, da Professor Prien erkrankt war. Er leitete auf der Jahrestagung (Thema: „Die Forstwirtschaft auf dem Wege in die soziale
und ökologisch orientierte Marktwirtschaft"), die vorzüglich organisiert, stark besucht und mit einer interessanten Exkursion verbunden (Höppner
und Rüffler 1990) war, die außerordentliche Versammlung des Forstvereins der DDR und der awig.

 

Flöhr (1990) führte aus:
„Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese im Programm derJahrestagung nicht angeführte Versammlung anberaumt, weil wir als geschäftsführender Vorstand unserer Berufsorganisation die Auffassung vertreten, dass es richtig ist, Bilanz über eine 30jährige Arbeit zu ziehen und Ihnen gleichzeitig Hinweise für die künftige Entwicklung zu geben. Wie ich bei der Eröffnung schon ausgeführt habe, ist unser Vorsitzender, Herr Professor Prien, infolge einer schweren Erkrankung und eines damit verbundenen Krankenhausaufenthaltes nicht in der Lage, die für uns letzte Aktivität wahrzunehmen. Deshalb obliegt mir als seinem seit 15Jahren amtierenden Stellvertreter diese nicht ganz leichte Aufgabe. Es liegt von Professor Prien eine längere Rechenschaftslegung vor, die mir heute zugegangen ist. Sie deckt sich inhaltlich fast vollständig mit den folgenden Ausführungen.
Als vor 30 Jahren die Agrarwissenschaftliche Geselschaft gegründet wurde, erkannten wir die Gelegenheit, uns im Rahmen dieser Geselschaft endlich wieder als freiwillige Beruforganisation zu profilieren, und ich kann heute sagen, daß ich selbst von Anfang an in verschiedenen Funktionen dabei war. Wir konnten damit an gesunde Traditionen früherer Forstgenerationen anknüpfen und haben es deshalb auch als Verpflichtung empfunden, uns am 21. März dieses Jahres wieder als Forstverein zu konstituieren.
Zurückblickend kann festgestelt werden, daß wir selbst in schwierigen Situationen bei der Arbeit immer ein hohes Maß an Eigenständigkeit bewahrt haben. Bei allen Veranstaltungen stand das fachliche Anliegen im Mittelpunkt, wobei wir es verstanden haben, den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand mit aktuellen praktischen Erfordernissen zu verknüpfen.
Jahrestagungen waren immer ein Höhepunkt im Leben unserer Gesellschaft. Dabei strebten wir an, daß turnusmäßig mit einem gastgebenden Bezirk oder mit einer der beiden wissenschaftlichen Institutionen in Tharandt und Eberswalde Schwerpunktprobleme in Vorträgen und Exkursionen behandelt wurden. Diese Veranstaltungen boten gleichzeitig Gelegenheit für persönliche Kontakte mit Fachkollegen und für ein geselliges Beisammensein. Die Resonanz war dementsprechendsehr groß. Für diese und für viele andere auf das Wohl unseres Waldes ausgerichteten freiwillig geleisteten Aktivitäten möchten wir uns bei allen Mitgliedern unserer Berufsorganisation von dieser abschließenden zentralen Tagung ausganz herzlich bedanken. In den Dank schließen wir ausdrücklich die Kolleginnen und Kollegen aus dem kleinen hauptamtlich tätigen Kreis der Agrarwissenschaftlichen Gesellschaft ein, die uns bei der Arbeit stets nach Kräften unterstützt haben. Unser besonderer Dank geht an den leider erkrankten Vorsitzenden unserer Organisation, Herrn Professor Prien, der sich immer leidenschaftlich für die Belange des Waldes und der Forstleute eingesetzt hat.
Die Mitglieder unserer Berufsorganisation erwarten von uns mit Recht eine Orientierung, wie es künftig weitergehen soll. Wenn es in wenigen Wochen keine DDR mehr geben wird, gilt das natürlich auch für den Forstverein der DDR. Da nach dem Beitritt der Länder zur Bundesrepublik Deutschland das föderalistische Prinzip bestimmend sein wird, haben auch wir bereits im März dieses Jahres die Bildung von Forstvereinen auf Länderebene empfohlen. Dieser Prozeß ist gegenwärtig in vollen Gange (...). Im Rahmen dieser Forstvereine soll die bisherige Arbeit fortgesetzt werden und auch die Aufnahme in den Verband des Forstvereins der Bundesrepublik Deutschland vorbereitet werden.
Jedem Mitglied bleibt natürlich überlassen, ob es künftig im Forstverein, in einer anderen forstlichen Berufsorganisation oder in der Agrarwissenschaftlichen Gesellschaft arbeiten möchte.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir stehen gegenwärtig unmittelbar vor der Vereinigung beider deutscher Staaten, die wir uns alle gewünscht haben. Dabei wird häufig die Frage gestelt, was wir als Länder der ehemaligen DDR in das gemeinsame Haus einbringen. Das gilt auch für unseren Wirtschaftszweig. Unsere Antwort muß lauten:
Wir bringen einen Wald ein, der durch Naturkatastrophen und infolge mangelnden Umweltbewußtseins unserer früheren Verantwortlichen zwar regional gelitten hat, der aber, wie wir es auch heute in mehreren Referaten gehört haben, insgesamt bei weitem nicht in einem so desolaten Zustande ist, wie es in anderen Wirtschaftszweigen der Fall ist. Als Forstleute haben wir uns der Beseitigung und Minderung der genannten Schäden oft unter extremen Bedingungen voll gestellt, wobei die Mitglieder unserer Berufsorganisation einen hervorragenden Anteil hatten. Langfristig haben wir auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse immer eine ökologisch orientierte Waldbewirtschaftung angestrebt und Schritt für Schritt verwirklicht, auch wenn es sogenannte Ökologen und Journalisten in unserer Tagespresse anders darstellen.

Wir bringen ein forstwissenschaftliches Potential ein, das sich auf solide Ergebnisse stützen kann. Wir bringen unsere Erfahrungen, unser Wissen und unser Wollen ein, denn auch in einem vereinigten Deutschland gibt es viele forstliche Probleme zu lösen. Wir freuen uns auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit unseren Berufskollegen in der BRD, denn wir alle brauchen den Wald, und der Wald braucht uns. 

Meine Damen und Herren!
Da wir in diesem großen Rahmen nicht mehr zusammensein werden, möchte ich mich im Namen des geschäftsführenden Vorstandes unseres Forstvereins auch bei den Organisatoren, Referenten und den vielen anderen Mitwirkenden der heutigen letzten Jahrestagung herzlich bedanken. Unser besonderer Dank richtet sich dabei an die Kollegen Dr. Höppner, Dr. Sasse und Professor Rüffler: Wir wünschen den Teilnehmern unserer Veranstaltung für den heutigen Abend noch
einige schöne Stunden im Kreise der Fachkollegen und auch den morgigen Exkursionen einen interessanten und erfolgreichen Verlauf.
Damit möchte ich aber kein Schlußwort gehalten haben, sondern Sie ausdrücklich befragen, welche anderen Aufassungen zu der weiteren Arbeit unserer Berufsorganisation vertreten werden.
Dazu möchte ich folgenden von Professor Prien formulierten Beschlußentwurf vortragen:

Beschluß
der anläßlich der Wissenschaftlichen Jahrestagung derForstwirtschaft am 19.9.1990 in Eberswalde versammelten Mitglieder der awig bzw. des Forstvereins der DDR e.V.
Auf Empfehlung des geschäftsführenden Vorstandes des Forstvereins der DDR e.V. wird nach erfolgter Diskussion von den anwesenden Mitgliedern folgendes beschlossen:

 

  • Die im Forstverein der DDR e.V. vereinigten Länderforstvereine aufdem Gebiet der DDR erklären mit Wirkung vom 31. Dezember 1990 ihre Mitgliedschaft in der Agrarwissenschaftlichen Gesellschaft der DDR für beendet. Einzelne Mitglieder, die auch künftig Mitglied der awig bleiben möchten, haben ihre Mitgliedschaft einschließlich Beitragszahlung selbst zu regeln.
  • Der geschäftsführende Vorstand des Forstvereins der DDR e. V. stellt seine Tätigkeit mit dem 31. Dezember 1990 ein.
  • Den auf dem Territorium der DDR gebildeten Landesforstvereinen wird empfohlen, in Übereinstimmung mit der Aufassung ihrer Mitglieder zum frühest möglichen Termin geordnet und organisatorisch gefestigt dem „Deutschen Forstverein e. "V. als neuer Dachorganisation beizutreten.

Der Beschluß wurde mit weit überwiegender Mehrheit angenommen!

Rechnet man die Vorbereitung dazu, dann hat der Forstverein der DDR gut 12 Monate von sich reden gemacht. Eine kurze, bemerkenswerte Zeit: Schon vier Wochen nach dem Fall der Mauer hatte der Vorstand der zentralen Fachkommission Forstwirtschaft der awig eine Forstvereinsbildung im Visier. Die awig-Mitglieder schwenkten weit überwiegend auf diese Linie ein und gründeten diesen Forstverein im März 1990. Die sofort nach der Gründung bestehende Bereitschaft, sich an den Gepflogenheiten des Deutschen Forstvereins zu orientieren und die damit verbundene Selbstauflösung zum Jahresende 1990 vorzubereiten, zeigt, daß die Sache im Vordergrund stand. Das war nicht selbstverständlich. Schließlich war man als awig-Fachkommission ja auch wer! Übrigens: In Rudimenten besteht die awig noch heute in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, allerdings fast ausschließlich in der Landwirtschaft.