Reise des SFV vom 08.-15.05.2018 nach Sardinien

Schon 47 Mehrtagesexkursionen hat der SFV nach seiner Neugründung im Jahre 1990 organisiert, davon 33 Auslandsexkursionen. Diesmal ging es wieder einmal nach Italien, auf die Insel Sardinien – der zweitgrößten Insel im Mittelmeer, mit 33 Teilnehmern, organisiert in bewährter Form von Dr. Herbert Bergmann mit dem Reisebüro Zeitler in München. Die Reise begann mit Hindernissen, denn die Fluglotsen in Italien streikten, sodass unser erstes Ziel, Olbia im Norden der Insel, nur von einem Teil der Gruppe am späten Abend erreicht wurde. Der andere größere Teil musste den Flughafen in der Hauptstadt Cagliari im Süden der Insel ansteuern. Mit dem von unserem Reisebüro organisierten Bus erreichten wir nach einer Nachtfahrt genau um Mitternacht unser vorgesehenes Quartier bei Olbia. Am Morgen konnte nun die Rundreise beginnen. Detlev Krüger, unser örtlicher Reiseleiter, der als Deutscher hier sesshaft geworden ist, macht uns mit der Insel vertraut. 24090 km² groß, ca. 270 km fährt man von Norden nach Süden und ca. 145 km von Ost nach West.  Er erzählt uns, dass es vor unserem Kommen außergewöhnlich viel geregnet hat, es war der regenreichste Mai seit Jahren. Niederschlag fällt ansonsten durchschnittlich 1000 mm in 2 Perioden. Eigentlich ist es so, im Winter sind die Wiesen grün, im Sommer verdorrt und den Tieren muss zugefüttert werden. Ein stetiger Wind ist der Gestalter der Insel, sagt er, die salzkristallhaltige Luft schleift die Granite ab. Er wird es uns beweisen. Die Geschichte der Insel und ihre Zugehörigkeit sind vielfältig und vielleicht sogar noch nicht abgeschlossen, man will unabhängig sein. Wir schauen auf die Landschaft. Es gibt keine Wälder mehr in unserem Sinne. Jahrhundertelang wurden sie für den Schiffs- und Städtebau abgeholzt, Aufforstungen erfolgten nicht, im Gegenteil, die Nutzung der Landschaft als Viehweide für Ziegen und Schafe verhinderten die Entstehung von Wald.   Nicht gebrauchen konnte man die Steineichen, krumm im Wuchs, ein Glücksfall für die Insel. Ausgebreitet hat sich eine oft undurchdringliche Strauch-Vegetation aus Myrte, Erdbeerbäumen, Zistrosen, Mastixsträuchern, Oleander, Thymian, Rosmarin, Ginster und Schwarzdorn – genannt die sardische Macchia. Inzwischen ein Sammelbegriff für alles was grün ist übers Jahr. Es wird gesagt: „Was heute Urlauber wie Einheimische fasziniert, nämlich die vielfältigen Düfte, Gerüche und Farben der zahllosen Pflanzenarten, ist aber das Ergebnis historischer Umweltsünden.“  Wir sind trotzdem beeindruckt von der Schönheit der Landschaft. Sardinien ist auch „Banditenland“, sagt er uns. Über Jahrhunderte geschichtlich entstanden  auf Grund zahlreicher Fremdherrschaften. Sarden flohen in die Berge und holten sich mit Überfällen wieder zurück was ihnen zustand. Das ist wohl heute noch in gewisser Weise so. Die Sarden sind zwar ein stolzes Volk, sehr gastfreundschaftlich, aber Ehre und Sippe spielen heute noch eine große Rolle, Blutrache ist möglich, es gilt das Gesetz des Schweigens.


Der erste Ort, den wir besuchen hat auch diese Geschichte und gilt als „Widerstandsnest, als Zentrum der Aufsässigkeit gegen die italienische Regierung“. Es ist das „Banditendorf“  Orgosolo. Zahlreiche Wandgemälde/Bilder  erfreuen die Touristen und erzählen spannende  Geschichten, auch mit politischen Botschaften.
 
Umgeben ist der Ort von 21.000 ha Land, im unteren Bereich erfolgt der Anbau von Oliven (Produktion von sortenreinem Olivenöl)  und Wein (Cannonau) , die Steineiche wächst bis 1200 m, darüber ist sie nur kleinwüchsig. Granit, Kalk, Basalt/Schiefer sind die vorherrschenden Gesteinsarten. 1000 ha werden der Natur überlassen, es gibt einzelne Bäume die bis zu 28 m hoch sind und 1000 Jahre alt sein sollen. 1923 hat der italienische Staat Regionen ausgewiesen, wo der Wald so bleiben soll wie er ist. Der Wald hat Besitzer, man kann privat alles rausholen, wenn aber was davon verkauft werden soll, braucht man eine Lizenz. Von 1900 bis 1950 wurde viel Raubbau betrieben am Wald. Es war die Zeit der Eisenbahngesellschaften und der Holzkohleproduktion. Die Landwirtschaft basiert auf Tierproduktion - Ziegen, Schweine, Schafe - und deren Produkte. Zum Mittag bei den Hirten konnten wir reichlich sardisches Essen und Trinken probieren und sardische Folklore genießen.
Am nächsten Tag besuchten wir die Insel, La Maddalena, eine der meistbesuchten der  insgesamt  ca. 60 Inseln des Nationalparks „Archipel Maddalena“. Wir sind wieder beeindruckt von der Schönheit der Landschaft und  der Natur. Da Sardinien schwer zu erreichen war, wurden keine schweren Bebauungsfehler für den Tourismus begangen, es gibt keine Betonburgen. Hinzu kommt, die Sarden sind eher ein Bergvolk als Seefahrer. Aber in dieser Gegend war auch die NATO aktiv, z. B. auf der Insel Stefano war bis 2007 ein  U-Boot-Standort und war Arbeitgeber für 300 Leute. Auf Maddalena befindet sich die Italienische Unteroffiziersschule. 2008 sollte hier der G8-Gipfel stattfinden, wurde aber auf Grund des Erdbebens in den Abruzzen abgesagt.
Nachmittags erkunden wir die Costa Smeralda, benannt nach dem Wasser, das durch das Zusammenspiel von Lichtbrechung und  weißem Muschelkalk bei Sonnenschein smaragdgrün erscheint. Die Gegend ist ein Refugium für reiche Leute aus der ganzen Welt. Aber der Reichtum wird versteckt hinter Trockenmauern und wunderschönen hohen Toren. Erschlossen und auf ca. 50 km entlang der Küste für den Tourismus nutzbar gemacht, wurde sie erst in den 60-iger Jahren des vorigen Jahrhunderts, im sogenannten Neosardischen Baustil. Initiator war der persische Prinz Aga Khan. Wir erfahren aber auch, dass in den 40-ger Jahren ein Malaria-Virus im sumpfigen Küstengebiet grassierte. Mit Hilfe der Rockefeller-Stiftung konnte die Malaria durch den Einsatz von DDT und den Anbau von Eukalyptus ausgerottet werden.
 
Am folgenden Tag wandern wir zunächst in der Nähe von Luras zum ältesten Olivenbaum Europas, geschätzt zwischen 2000 und 4000 Jahre.  Der Umfang am Stamm und in der Ausbreitung der Krone ist gigantisch. Fotografisch ist es nicht einfach diesen Giganten  in einem Bild zu erfassen. Voll Ehrfurcht genießen wir diesen schönen Ort und seine Umgebung.
 
Weiter fahren wir ins Landesinnere, in die Region Gallura. Die Gegend besitzt den größten Bestand an Korkeichenwälder ganz Sardiniens und ist der größte Korklieferant Italiens. In Calangianu wird uns in einer kleinen Firma  gezeigt, wie die Korkeichenrinde behandelt werden muss und was daraus z.B.  in Verbindung mit Keramik hergestellt wird, auch auf künstlerische Verarbeitung  wird wert gelegt. Bei der anschließenden  Besichtigung der  wunderschönen aus Granit bestehenden Altstadt von Tempio Pausania sehen wir in einem Geschäft, dass Kork so fein bearbeitet werden kann, dass selbst die Herstellung von Taschen, Kleider, Hosen, Schmuck in hoher Qualität kein Problem ist. Der Tag endet mit einem Stopp an der berühmtesten Kirche der Insel, der schwarz-weiß-Kirche von Sardinien, offiziell die Abteikirche Santissima Trinitá di Saccargia, gebaut aus weißem Sandstein und schwarzem Basalt, 900 Jahre alt und nie umgebaut. Im nahegelegenen Kaffee genießen wir einen Espresso.
 
Wir erfahren noch,  da diese Region mit 300 Sonnentagen im Jahr sonnenreich ist, werden in erster Linie Fotovoltaik-Anlagen und hier vor allem durch Firmen gegenüber den Windrädern der Vorrang gegeben. Ansonsten bekommt Sardinien seinen Strom über  Seekabel von Korsika und dem italienischen Festland, wohl auch von den 15 Stauseen der Insel. Energetisch nicht genutzt werden Öl und die schlechte Kohle. Eine tausendjährige Tradition hat der Bergbau auf Sardinien: u.a. Blei, Zink, Kohle, Anthrazit, Gold, Silber, Eisen, Fluorit, Talk findet und fand man hier.
Wir übernachten in einer tollen Hotelanlage in Alghero nahe an der nordwestlichen Mittelmeerküste, der „grünsten Ecke“ Sardiniens. Wir besichtigen den Ort mit seinem Mittelmeerflair am nächsten Vormittag. Im 14.-18. Jahrhundert wurde die Stadt von den Spaniern beherrscht und auch im Baustil geprägt, die kopfsteingepflasterte Altstadt und zahlreiche Sehenswürdigkeiten zeugen von der jahrhundertelangen Geschichte. Zum Mittag sind wir in dem Städtchen Bosa und essen in einer Gaststätte, wo in der Woche zuvor auf Grund der Regenfälle das Wasser noch in Stuhlhöhe stand. Bei der anschließenden Weinverkostung in der Cantina G.B. Columbu genießen wir  den vollmundigen Weißwein Malvasia di Bosa mit leckerem Mandelgebäck.
Am folgenden Sonntag fahren wir 200 km in Richtung Süden. Uns erwartet etwas Besonderes aus der frühzeitlichen Geschichte der Insel, ca. 1800-700 v. Chr.. Die zylindrigen Türme der Nuraghen, geheimnisvoll in ihrer Entstehung, da es keinerlei  Überlieferungen aus dieser Zeit gibt. Schätzungsweise 20.000 dieser Bauwerke, die mitunter die Höhe eines 8-Geschossers erreichten, wurden kreuz und quer über die ganze Insel verteilt erbaut. Über den Sinn und Zweck dieser Steintürme, werden nur Vermutungen angestellt. Sie dienten auf jeden Fall zum Wohnen,  hatten aber keinen Verteidigungscharakter, höchstens als Wachtürme gegen den Nachbarn. In den nachfolgenden Jahrhunderten wurden viele der “ Steinberge“ zu anderen Zwecken  abgetragen. 7000-8000 wurden aber wieder gefunden. Eine Anlage  davon konnten wir nun besichtigen und darüber staunen, was für eine Meisterleistung vor über 2000 Jahren die hier lebenden Menschen vollbrachten.
 
Der nächste Höhepunkt war der Empfang in der Forststation Complesso Forestale Goceano. Nach einem reichlichen Mal, bestehend aus dick belegten Baguettes, Mandelgebäck und sardischem Wein, wanderten wir im Naturschutzgebiet Sos Nibberos, das sich auf über etwa 7 Hektar des Staatswaldes Monte Pisanu erstreckt, zu den 2000 Jahre alten Eiben. Ein Naturparadies! Nach der Rückkehr bedankten wir uns herzlich und ausgiebig bei den italienischen Kollegen.
 
Den letzten Tag unserer Reise verbrachten wir in Cagliari, der Hauptstadt Sardiniens, mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten und seiner einzigartigen Lage. Wir schauen u.a. die Basilika „Unserer Lieben Frau von Bonaria“ an, eine Pilgerstätte vor allem zur Madonna von Bonaria, die besonders beeindruckt durch ihre Schönheit und Größe. Abschließend besuchen wir die antike versunkene Stadt von Nora, eine Ausgrabungsstätte aus der Zeit der Phönizier, wunderschön gelegen am Meer.
Am nächsten Tag heißt es Abschied nehmen. Mit vielfältigen Eindrücken, hunderten Fotos geht es wieder in die Heimat. Wieder haben wir ein kleines Stück unserer schönen Welt, unserem geschichtsreichen Europa kennengelernt. Man ist wieder bewegt und erhöht die Achtung vor den Leistungen anderer Generationen und anderer Völker.

Zum Bericht als pdf-Datei mit Fotos

Heidrun Bergmann
Freital, 27.12.2018