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Die Gründung des Nordwestdeutschen Forstvereines geht zurück auf das Jahr 1885.

Wildschäden nehmen an Brisanz zu

Exkursion des Nordwestdeutschen Forstvereins am 9. September 2016 ins Elbe-Weser-Dreieck zum Thema Wald und Wild

Wildschäden im Wald sind ein Dauerthema während der letzten Jahrzehnte und haben aufgrund des Klimawandels und der daraus resultierenden Zwänge zum Waldumbau an Brisanz zugelegt. Auch wenn der Wille zur Reduzierung von Wildbeständen vorhanden ist, heißt das nicht, dass dies auch gelingt.
Schwierig wird es, wenn sich die Akteure in der Fläche über die anzustrebende Höhe der Schalenwildbestände nicht einig sind, denn auch die gesetzlichen Möglichkeiten, angepasste Schalenwilddichten zu erreichen, sind begrenzt. Der Nordwestdeutsche Forstverein beschäftigte sich mit diesem Thema anlässlich seiner Herbstexkursion ins Elbe-Weser-Dreieck. Rund 50 Fachleute informierten sich anhand eines Fallbeispiels im Niedersächsischen Forstamt Harsefeld vor Ort.

Laut Dr. Dietrich Meyer-Ravenstein, Leiter der obersten Jagdbehörde im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium und Vorsitzender der Wald-Wild- Kommission, bestehe die Problematik Wald - Wild seit „ewigen Zeiten“ und habe sich deutlich verschärft. So seien die Rot- und Rehwildstrecken in Niedersachsen in den letzten 60 Jahren um jeweils das 2,5 fache, die Damwildstrecke gar um das 15 fache gestiegen. Als Ursachen für hohe Waldschäden durch Schalenwild nannte Meyer-Ravenstein falsche Jagdmethoden, zu wenig Äsungsangebote, zu wenig Ruhe, Lebensraumverknappung und fehlerhaften Waldbau. Die Grundeigentümer forderte er auf, ihre Interessen auch wahrzunehmen und ihre Zielsetzungen ggf. im Jagdpachtvertrag zu formulieren. Den Wildschadensersatz in Deutschland bezeichnete der Jurist als „einmaliges System“: Die notwendige Äsung des Wildes werde zum Schaden, und der Geschädigte habe immer einen Anspruch auf Entschädigung, ohne dass jemand schuldhaft gehandelt habe. Meyer-Ravenstein: „Solch eine weitgehende Haftung gibt es sonst nirgends.“

„Nadelöhr“ Revierinhaber
Wildschäden seien außerdem nicht für alle gleichermaßen bedeutend. Den Revierinhaber bezeichnete Meyer-Ravenstein als „Nadelöhr“ bei der Bejagung von Wildbeständen. Eine zwangsweise Vollstreckung sei hier sehr mühsam und wenig erfolgreich, wie er anhand eines konkreten Beispiels verdeutlichte. Die vermögenden Jagdpächter und Eigenjagdbesitzer bezeichnete Meyer-Ravenstein als Problem, denn hier komme es auf land- und forstwirtschaftliche Schäden gar nicht an.

Herausforderung Verbissdruck

Die Aufgabe von Dr. Otto Fricke als Leiter des Forstamtes Harsefeld ist es, die meist aus Erstaufforstungen entstandenen Nadelalthölzer in Mischbestände zu überführen.
In der waldarmen Gegend zwischen Elbe, Weser und Nordseeküste lastet ein erheblicher Verbissdruck von Dam- und Rehwild auf den relativ wenigen Waldflächen.

Gesetzwidriger Zustand

Fricke wies darauf hin, dass die Verjüngung der Hauptbaumarten laut Gesetz ohne Schutz möglich sein muss. Dies müsse von den Jagdbehörden auch erkannt und umgesetzt werden, was häufig nicht geschehe, auch weil der nötige Sachverstand nicht überall vorhanden sei. Dieser Zustand sei somit gesetzwidrig. Zu den Hauptbaumarten gehören in Harsefeld die Nadelhölzer Kiefer, Fichte, Tanne und Douglasie sowie aufgrund umfangreicher Voranbauten auch die Buche. Tatsächlich seien aber bis vor fünf Jahren nahezu alle Verjüngungsmaßnahmen vom Wild zunichte gemacht und Investitionen von mehr als 100 000 Euro aufgefressen worden. In manchen Waldorten – Fricke zeigte Beispiele, die nicht nur im Elbe-Weser-Dreieck vorkommen dürften – sei dies immer noch so. Fricke: „Das kann man nicht akzeptieren.“ Die Folgen waren eine Erhöhung der Abschusszahlen und geänderte Jagdstrategien, die nicht überall bei der umliegenden Jägerschaft auf Akzeptanz stieß.

Konflikte über Zielerreichung
Es gab und gibt erhebliche Konflikte – auch ein nicht nur im Elbe-Weser-Raum auftretendes Phänomen. Vor allem die auf Ebene der Hegegemeinschaften angestrebten Einschränkungen der gesetzlich vorgesehenen Bejagungsmöglichkeiten ist das Forstamt nicht bereit zu akzeptieren, weil es laut Fricke sonst nicht möglich sei, die Ziele – im niedersächsischen Landeswald definiert nach dem Programm zur langfristigen ökologischen Waldentwicklung (LÖWE) – zu erreichen. Fricke: „Man braucht einen langen Atem und eine grimmige Entschlossenheit.“
Erste Erfolge sind erkennbar: Die Nadelbaumarten verjüngen sich zumindest stellenweise ohne Zaun. Laubholz wird aber nach wie vor großenteils vom Wild verbissen und teilweise auch geschält. Dass der Damwildbestand in der Region abgesenkt werden müsse, bestätigte auch der Vertreter der Hegegemeinschaft Bederkesa, Edgar Jagels. Welcher Maßstab dabei angewendet werden soll, blieb aber offen.

Förderung sinnvoller verwenden

Laut Dr. Christian Eberl, Vorsitzender des Nordwestdeutschen Forstvereins, fließe die Förderung für den Privatwald zu einem Großteil in den Bau von Zäunen gegen Wildschäden. Eberl: „Es kann nicht sein, dass man die Hauptbaumarten zu 100 Prozent zäunen muss, um sie hochzubringen.“ Hier werde es voraussichtlich in Kürze Änderungen der Förderrichtlinien geben. Bei aller Härte in der Sache und den auszutragenden Konflikten erinnerte Eberl die Akteure aber auch daran, dass die Jagd als eigentumsähnliches Recht derzeit in der Diskussion stehe und es Strömungen gebe, die dies ändern wollten. Diesen Tendenzen gelte es, geschlossen entgegenzutreten und Konflikte untereinander zu regeln, um die Entscheidung über die Jagd auch dort zu belassen, wo sie hingehöre, nämlich bei Grundbesitzern, Jagdausübungsberechtigen und ihren Beauftragten.

Exkursionsgruppe. Foto: Nordwestdeutscher Forstverein