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Bericht von der Exkursion „Aktive Waldwirtschaft oder Auerhahns Ruh?“

Die Bezirksgruppe Oberfranken-Mittelfranken des Bayerischen Forstvereins traf sich am 22. Mai 2015 zum Erfahrungsaustausch im Fichtelgebirge. Nicht zuletzt wegen des Waldnaturschutzjahres in Bayern war das diesjährige Ziel der Tagung das Natura 2000-Gebiet „Schneebergmassiv mit Fichtelseemoor“ mit dem Thema „Aktive Waldwirtschaft oder Auerhahns Ruh?“. Einen ganzen Tag diskutierten Vertreter aus Privat- und Staatswald sowie Fachleute aus Forstwirtschaft und Naturschutz, ob Waldwirtschaft und Naturschutz auf ein und derselben Fläche vereinbar sind. Dabei lag das Hauptaugenmerk auf dem seltenen und streng geschützten Auerhuhn.

Der Bayerische  Forstverein konnte den stellvertretenden Landrat Hans Peter Baumann für den Landkreis Hof, den stellvertretenden Landrat Roland Schöffel für den Landkreis Wunsiedel, sowie den Ersten Bürgermeister der Marktgemeinde Zell, Horst Penzel, willkommen heißen.

Viele Erfordernisse des Naturschutzes können durch eine naturnahe Waldwirtschaft erfüllt werden. Sonderstandorte wie Moore und Felsblockhalden aber auch Bäume, die ihre natürliche Altersgrenze erreichen dürfen, sind Inseln hoher und seltener Artenvielfalt. Naturnahe Waldwirtschaft und Sonderstandorte verbinden sich zu hoher Gesamtartenvielfalt und bilden ein in sich vernetztes, kompaktes System. Dass Nützen und Schützen im Wald kein Widerspruch sein muss, wurde im Laufe der Vortragsreihe und der Exkursion am Nachmittag immer deutlicher.

Olaf Schmidt, der Präsident der LWF in Freising, referierte über die Bestandsentwicklung des Auerhuhns in Bayern und speziell im Fichtelgebirge: Während noch vor 100 Jahren das Auerhuhn ein typischer Bewohner nahezu aller Mittelgebirge in Süddeutschland gewesen ist, findet es sich heute nur noch in sehr vereinzelten, häufig auch genetisch voneinander isolierten Populationen. Der Rückgang des Auerhuhns ist in der Veränderung seiner Umwelt begründet. Als echte eiszeitliche Reliktart bevorzugt es als Lebensraum lichte, kühle Nadelmischwälder aus Fichte, Tanne und Buche mit üppigem Unterwuchs aus Heidelbeere, die Deckung vor Fressfeinden und auch Nahrung bietet. Aufgrund der Klimaerwärmung, den steten Stickstoffeinträgen aus der Luft und der heute nicht mehr praktizierten Streunutzung, wird die Heidelbeere jedoch immer mehr von Gras und krautigen Pflanzen verdrängt. Insgesamt leben nach Schätzungen im Fichtelgebirge noch ca. 50 bis 60 Auerhühner.

Stefan Müller-Kroehling, ebenfalls Mitarbeiter an der Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft, widmete seinen Vortrag den an für sich seltenen Lebensräumen wie Mooren und Felsblockhalden, die im Fichtelgebirge jedoch noch recht zahlreich sind. Müller-Kroehling verglich die Sonderstandorte sehr treffend mit einer Arche. Moore und Felsblockhalden beherbergen eine große Vielfalt auch sehr seltener und spezialisierter Arten. Eine weitere Insel der Biodiversität sind alte Bäume, die ihre natürliche Altersgrenze erreichen dürfen. Mischwälder mit einer hohen Biodiversität können Störungen, wie sie z. B. durch den Klimawandel entstehen, viel besser abpuffern als  Monokulturen.

Mit Stefan Oettle, dem für den Schneeberg zuständigen Forstbeamten am Forstbetrieb Selb, kam ein forstlicher Praktiker zu Wort. Er empfindet die Umsetzung von Maßnahmen zum Erhalt der biologischen Artenvielfalt in seinem Revier als Herausforderung und Chance für den Naturschutz im Wald. Grundsätzlich ließen sich viele Naturschutzmaßnahmen in forstliche Maßnahmen integrieren. So erhöhe die Pflanzung der tiefwurzelnden Weißtanne die Sturmsicherheit und Biodiversität der Wälder und verbessere gleichsam die Nahrungsgrundlage des Auerhuhns. Auch eine Holzerntemaßnahme führe zu verstärktem Lichteinfall für die Heidelbeeren und verbessere somit auch Deckungsmöglichkeiten und das Nahrungsangebot für das Auerhuhn.

Die nachmittägliche Exkursion führte auf den Gipfel des Schneeberges, mit 1051 m der höchste Berg Frankens. Dort übernahm der Leiter des Forstbetriebes Selb, Michael Grosch, die örtliche Führung. Das kalte, boreale Klima des Schneeberges formt einen in Mitteleuropa einzigartigen Lebensraum: Ein lichter, subalpiner Waldbestand aus 200-jährigen Fichten und Tannen, die aufgrund der kurzen Vegetationszeit und der zahlreichen Wipfelbrüche oft nicht höher als 15 m werden. Hier lässt sich erahnen, dass es zur höhenbedingten Waldgrenze, die für das Fichtelgebirge auf ca. 1200 Meter über dem Meerespiegel geschätzt wird, nicht mehr weit ist. Grosch erläuterte hier einen weiteren Aspekt des Waldnaturschutzes: Auf Sonderstandorten wie Felsblockhalden und Mooren findet keine forstliche Nutzung statt. Moore werden fachgerecht renaturiert. Die ehemals angelegten Gräben zur Entwässerung werden der Länge nach wieder mit autochthonem Torf verschlossen. Dieses Verfahren hat sich bei der Moorrenaturierung im Fichtelgebirge besser bewährt als der Wasserrückhalt mit einzelnen Stauwehren aus Holz. Der damit verbundene Anstieg des Wasserspiegels setzt wieder eine natürliche Moorentwicklung in Gang. Auerhuhn, Kreuzotter und viele seltene, moortypische Pflanzen (Torfmoose, Wollgras, Moosbeere und Sonnentau), und Insektenarten (Alpensmaragdlibelle) haben nachweislich davon profitiert. Die Moore des hohen Fichtelgebirges sind von der Typologie her keine Hoch- sondern Übergangsmoore, die durchaus auch waldfähig sind. Moorbirke, Fichte, Waldkiefer und Moorkiefer bilden häufig die Bestockung. Auf den Waldflächen zwischen den Sonderstandorten wird naturnahe Waldwirtschaft betrieben. Die dabei entstehenden Korridore verbinden die Sonderstandorte miteinander.

 

Ralph König

Hauptaugenmerk galt dem seltenen Auerhuhn Tetrao urogallus. Foto: Richard Bartz /wikipedia