Ça va? Forstverein Rheinland-Pfalz – Saarland in Südfrankreich
Ça va, so lautet eine vertrauliche Begrüßung in Frankreich. Mitte Oktober 2024 starteten zwanzig Mitglieder des Forstvereins zu einer zehntägigen Lehrfahrt nach Südfrankreich. Schon der Anfang der Reise präsentierte kulturelle Highlights: Avignon, Sitz der Präfektur des Départements Vaucluse, berühmt zum einen durch die seit 1660 als Ruine nur noch bis zur Mitte der Rhône stehende Pont Saint-Bénezet (Lied „Sur le pont d‘Avignon“) und zum anderen durch den Palais des Papes. Immerhin residierten im 14. Jahrhundert sieben Päpste im mächtigen Palast innerhalb einer gewaltigen Stadtmauer.
Eines der größten Naturdenkmäler Frankreichs bietet das Vaucluse mit der Quelle des Flusses Sorgue. Schon der Name „eingeschlossenes Wasser“ deutet auf die unterirdische Quelle hin, vergleichbar mit dem Blautopf bei Blaubeuren. Direkt eingebettete in Kalkfelsen ist dieses Schauspiel neben Mont Saint Michelle angeblich die häufigst besuchte Sehenswürdigkeit in Frankreich. Nach der anschließenden Besichtigung des in einer malerischen Hügelkulisse gelegenen Künstlerdorfes Gordes ging die Fahrt durch Eichenwälder vorbei am Kloster Sénanque zu den berühmten Ockerfelsen bei Roussillon en Provence: ein durch verschiedene Mineralien entstandenes farbenprächtiges und sehr mächtiges Naturwunder, das lange als Ockerbruch genutzt wurde.
Kleider, Haushaltsgegenstände, Lavendel in allen Formen und Provence-Lebensmittel, wie etwa Kräuter der Provence, bietet der Markt in Carpentras, der sich über die gesamte Innenstadt erstreckt. Der Mont Ventoux dürfte den meisten von der Tour de France bekannt sein. Fast jährlich quälen sich die Profiradfahrer auf das 1.909 Meter hohe Bergmassiv. Bereits 1336 bestieg der italienische Dichter und Geschichtsschreiber Francesco Petrarca den Mont Ventoux. Petrarca gilt seitdem als Vater der Bergsteiger und Begründer des Alpinismus. Doch für Forstleute ist der Berg insbesondere unterhalb des baumlosen Gipfelbereiches höchst interessant. Denn hier sind die größten und ältesten Zedernanbauten Frankreichs. Aufgrund von Waldweide und intensiver Landwirtschaft verbunden mit Rodungen waren viele Bergwälder zerstört worden. Am Mont Ventoux war auch die Flaumeiche (Quercus pubescens) durch Übernutzung für den Schiffsbau verschwunden. Hinzu kamen verheerende Hochwasserereignisse in den 1840er Jahren. Noch vor dem 1860 erlassenem Gesetz zur Wiederaufforstung im französischen Bergland begann der Förster François Tichadou mit Wiederaufforstungen am Mont Ventoux zunächst mit Saaten von Flaumeiche, Steineiche (Quercus ilex), Edelkastanie, Aleppo- und Schwarzkiefer, zudem auch Lärchen-, Fichten-, Tannen- und sogar Waldkiefersaaten. Später konnte durch das Engagement von Tichadou und Kollegen sowie mit der militärischen Infrastruktur der französischen Kolonialverwaltung am Mont Ventoux ein aufwändiges Aufforstungsprogramm durchgeführt werden, insbesondere mit der Atlaszeder (Cedrus atlantica). Das Saatgut, zum Teil auch einjährige Sämlinge stammte aus Algerien. Heute gibt es noch Zedern aus dieser Zeit, die sich inzwischen sehr gut natürlich verjüngt. Immerhin erstrecken sich die Zedernwälder auf über achthundert Hektar in der Höhenlage von 600 bis 1.100 Höhenmetern. Beigemischt sind Flaumeiche, Seestrand- und Schwarzkiefer sowie vereinzelt Steineiche, Französischer Ahorn (Acer monspessulanum), Schneeballahorn (Acer campestre), Mehlbeere (Sorbus aria) und Speierling (Sorbus domestica). Zedernholz findet Verwendung beim Bau und Innenausbau, bei der Möbelherstellung sowie zur Herstellung von ätherischen Ölen. Der Anbau von Atlaszeder im Kontext der Klimaveränderung kommt unter Beachtung der Standortsverhältnisse (keine Tonböden und flachgründige Sandböden sowie keine hydromorphe Standorte) und unter Berücksichtigung ihrer Spätfrostgefährdung -sie ist allerdings weniger anfällig als die Libanonzeder (Cedrus libanii)- als Alternative durchaus in Frage.
Mit dem Bus war die „Besteigung“ des Mont Ventoux recht bequem. Zwar war der Berg in Nebel verhüllt und wurde mit böigen Winden seinem Namen gerecht, aber die anschließende Fahrt durch die Provence-Landschaft wurde von herrlichem Sonnenschein begleitet, vorbei an bereits abgeernteten Lavendel-Feldern.
Arles ist ein Besuchsmagnet und zurecht UNESCO-Weltkulturerbe. Das Amphitheater (Arena) und das Römische Theater sind Zeugen der römischen Besiedlung. Daneben sind die Kirche und das Kloster mit Kreuzgang St. Trophime sowie die ausgedehnten unterirdischen Cryptoportiques zu bewundern.
In der Camargue erwarteten die Exkursionsteilnehmer*innen Heerscharen von Flamingos. Im Parc Ornithologique Pont de Gau kann man die rosafarbigen Vögel aus greifbarer Nähe, aber auch andere heimische Vogelarten bei einem Rundgang zwischen den Wasserflächen beobachten.
Im nahegelegen Les Saintes-Maries-de-la-Mer, ein berühmter provenzalischer Wallfahrtsort vor allem für Zigeuner und Reisende, ergab sich die Gelegenheit, bei der gerade stattgefundenen Prozession teilzunehmen. Zwei Marienfiguren wurden unter Begleitung zahlreicher Pilger*innen zum bzw. ins Meer getragen. Verehrt werden Maria Salome und Maria Jakobäa, die zusammen mit Maria Magdalena die ersten Zeuginnen der Auferstehung Christi waren.
Bevor es an den Strand und für einige auch ins Meer ging, machten sich die wichtigsten Tiere der Camargue bemerkbar: weiße Pferde und schwarze Stiere. Quasi eingekesselt zwischen berittenen Pferden werden Stiere durch die Straßen getrieben. Höhepunkt eines solchen Treibens erlebten die Teilnehmer*innen in Aigues Mortes. Der Abschluss eines großen Stadtfestes konnte live und hautnah mitverfolgt werden. Zuerst wurden stierkampfähnlich Jungbullen durch eine eigens errichtete Arena getrieben. Mutige Burschen versuchten dabei den Stieren möglichst nahe zu kommen. Später folgte das Schauspiel mit den drei Reitern und einem Stier durch die Straßen von Aigues Mortes, gesäumt von tausenden Zuschauer*innen.
Auf dem Weg in die Cevennen ist Pont du Gar ein „Muss“, ein Symbol der römischen Ingenieurskunst, das in jedem Latein- und Geschichtsbuch abgebildet sein dürfte. Zur Trinkwasserversorgung der Stadt Nîmes (damals Nemausus mit etwa 20.000 Einwohnern) wurde eine fünfzig Kilometer lange Wasserleitung gebaut, obwohl das Fassungsgebiet nur Luftlinie zwanzig Kilometer entfernt ist. Es mussten Brücken wie dieses weltbekannte Aquädukt und auch Tunnels gebaut werden, um das Gefälle von nur etwa dreißig Zentimeter pro Kilometer einzuhalten.
Ein weiters „Muss“ ist der Bambusgarten Bambouseraie de Prafrance bei Anduze, das größte Bambusgehölz außerhalb Asiens. Er widmet sich nicht nur den über eintausend Bambusarten, sondern er beherbergt auch seltene Pflanzenarten und uralte Bäume, wie z. B. Mammutbäume, Thujas und auch Ginkobäume.
Die Fahrt durch den Nationalpark Cevennen (Parc national des Cévennes) verlangte vom Busfahrer eine Meisterleistung. Die Schluchten des Flusses Tarn (Gorges du Tarn) sind mit ihren steilen Kalkfelsen und ihren kleinen Dörfchen, wie beispielsweise Castelbouc, nicht nur überwältigend schön, sondern Felsvorsprünge und enge Tunnel fordern jedes größere Fahrzeug außerordentlich heraus. Doch die Burg in La Malène, die ein modernes Hotel beherbergt, entschädigte für die lange und schlussendlich auch abendliche Anfahrt. Von hier aus unternahm die Gruppe eine Exkursion nach Col de Jalcreste, um durch die Kastanienwälder im Forêt Domaniale de Fontmort zu wandern. Hier liegt auch die Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Atlantik. In dieser Region war die Edelkastanie Teil der Ernährung und Getreideersatz. Sie wurde in weitständigen Hainen gepflegt und geerntete. Dies versucht ein ein kleines Landwirtschaftsgehöft wiederzubeleben und eröffnete uns die Sicht auf die Möglichkeiten der Kastanienverarbeitung. Während uns Förster*innen natürlich in erster Linie das Kastanienholz interessiert, ist aber durchaus die Verwertung der Früchte erwähnenswert: Leckereien wie Maronen, getrocknete oder eingelegte Kastanien, Kastanienmus oder auch -sirup oder -saft, Kastanienmehl. Den Ideen dazu sind keine Grenzen gesetzt (im Pfälzer Saumagen beispielsweise oder Kastanieneis).
Der Ausflug zur Wetter- und Klimastation auf dem 1.565 Meter hohen Mont Aigual bescherte den noch auf dem Mont Ventoux versagten, aber nun möglichen Ausblick auf die Alpen, das Mittelmeer und die Pyrenäen. In der Station wurde uns der Unterschied zwischen dem augenblicklichem Wetter und dem über einen längeren Zeitraum bestehendem Klima verdeutlicht. Die hochsensiblen Messgeräte des Observatoriums können die zwischenzeitlich weltweit besorgniserregende Klimaveränderung bestätigen. Das kleine Museum beherbergt auch die uralten Gerätschaften zur Erfassung der Wetter- und Klimadaten. Beim „Abstieg“ vom Massiv Aigoual kann man, den Höhlenforschern und allen voran Martel (1888) sei es gedankt, die Karsthöhle Abîme de Bramabiau durchwandern. Wer einmal diesen „Abgrund von Bramabiau“ erlebt hat, weiß woher der Name „Röhrender Stier“ kommt. Ohrenbetäubende Getöse erschallt auch bei normaler Wassermenge und erst recht bei Hochwasser.
Einen würdigeren Abschluss der großen Forstvereinsexkursion als eine Kahnfahrt durch Les Gorges du Tarn ist schwer vorstellbar: tosendes Wasser, hunderte Meter steile Felsen, nette Bootsführer, bunte Eisvögel, Bachforellen, kreisende Gänsegeier, nur mit Booten erreichbare Häuser, Bungee Jumping-Springturm usw. Diese Bootsfahrt darf gerne als Symbol für den Zusammenhalt der Gruppe und auch für den Zusammenhalt des Forstvereines Rheinland-Pfalz – Saarland dienen. Alle sitzen in einem (in diesem Fall in vier) Boot(en), alle nehmen Rücksicht aufeinander, alle sind am Wald interessiert und besorgt, was die Klimaveränderungen betrifft, alle genießen die kulinarischen Höhepunkte (wie exzellent das französische Essen und die Weine und wie freundlich die Gastgeber sind, muss nicht eigens erwähnt werden) und alle haben Spaß miteinander.
So bleibt noch ein Dankeschön auszusprechen an Eberhard Glatz und sein Frau Konstanze für die Planung und Durchführung der Exkursion, Georg von Plettenberg für seine tatkräftige Unterstützung bei der Vorbereitung und auch für seine (nicht nur geschichtlichen und sprachlichen) Informationen während der Fahrt, an Thomas Wehner als Navigator und Photograph, sowie an alle Frankophonen für die Übersetzungen. Neben den bleibenden Erinnerungen schwebt die Freude auf neue Ziele. Ça va? -Ça va!