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SFV: Leipziger Auwald - Spannungsfeld urbane Forstwirtschaft

Als einer der größten stadtnahen Auwälder Europas bietet der Leipziger Auwald nicht nur diverse Möglichkeiten für die urbane Bevölkerung, sondern stellt dadurch die Forstbetriebe vor große Herausforderungen in der Bewirtschaftung. Bei der Exkursion „Spannungsfeld urbane Forstwirtschaft“ organisiert durch das JNF und den SFV haben sich die Teilnehmer selbst ein Bild der unterschiedlichen Interessen, die auf den Auwald bestehen, machen können.
Der Forstbezirk Leipzig bewirtschaftet den Staatswaldteil des Leipziger Auwaldes. Im Revier Leipzig ist die Nordwestaue bei Schkeuditz mit 650 ha der größte Waldteil. Aufgrund der ökologischen Besonderheiten aber auch des Erholungsdrucks durch die Großstadtnähe überlagern sich hier bis zu zehn Waldfunktionen. Allerdings geht damit auch ein hohes, zunehmend kritisches Interesse an der „richtigen“ Bewirtschaftung des Waldes einher.
Noch vor ein paar Jahren verzeichnete der Forstbetrieb einen nachhaltigen Holzeinschlag von 4000-5000 fm pro Jahr.  Seit der Saison 18/19 ist dieser jedoch drastisch zurückgegangen, da seitens zweier vermeintlicher Naturschutzorganisationen mit gestellten Fotos von vermeintlich gefällten Biotopbäumen, Klagen und Vorwürfen der Druck auf den Forstbezirk immer weiter steigt. Die Situation ist mittlerweile so angespannt, dass neben dem Urteil zur FFH-Verträglichkeitsprüfung aller Forstwirtschaftspläne nun keine Genehmigungen zur Verkehrssicherung erteilt werden. Dass diese jedoch dringend notwendig ist, konnten die Exkursionsteilnehmer auf den ersten Blick sehen. Besonders Eschen sind durch das Eschentriebsterben und den Eschenbastkäfer abgestorben. Aber auch Ahorne und Eichen sind durch die Rußrindenkrankheit bzw. die Hitze und Trockenheit der letzten Jahre stark geschädigt. Anstatt die betroffenen Bäume gleich zu fällen, würde der Forstbezirk diese auch gern als Hochstubben stehen lassen oder gar nur die gefährlichen, toten Starkäste aus der Krone nehmen. Doch auch hierfür werden keine Genehmigungen erteilt bzw. hinausgezögert aus Angst davor, doch versehentlich ein Habitat übersehen zu haben. Dabei hängt von der Verkehrssicherung noch viel mehr ab. Wenn die Sicherheit auf den beliebten Rad-, Reit-, Paddel- und Wanderwegen im Auwald nicht gewährleistet werden kann, müssten diese zum Unmut der Erholungssuchenden gesperrt werden. Aber auch der Arbeitsschutz kann unter diesen Bedingungen nicht gewährleistet werden, sodass Pflegemaßnahmen auf einigen Flächen nicht durchgeführt werden können. Durch lichter werdende Oberstände vergrast die Bodenvegetation. Die gepflanzte Eichenverjüngung hat dadurch keine Chance und auf lange Sicht ist damit auch der Erhalt des FFH-Lebensraumtyps Eichen-Hartholz Aue gefährdet. Wodurch wiederum Lebensraum von dort lebenden Arten verloren ginge. Der Kampf dieser vermeintlichen Naturschutzorganisationen scheint also mehr Probleme zu verursachen, als für den Naturschutz im Leipziger Auwald zu lösen.

Neben diesen Spannungen zeigten die Exkursionsführer Herr Padberg (Forstbezirksleiter Leipzig), Herr Pitsch (Forstrevierleiter Leipzig) und Herr Moldenhauer (Referent für Naturschutz) die Bewirtschaftungs- und Naturschutzerfolge des Forstbezirks. Durch vielfältige Maßnahmen zum Schutz und Erhalt des vom Aussterben bedrohten Eschen-Scheckenfalters ist es gelungen die Anzahl der Gespinste pro Jahr von 12 in 2013 auf etwa 1000 in 2021 zu erhöhen. Als weiteres Beispiel sei auch aufgeführt, dass mit Projektpartnern wie „Lebendige Luppe“ Ansätze zur Wiedervernässung und zur Auwaldrevitalisierung durchgeführt werden, um dadurch eine natürliche Auwalddynamik wiederherzustellen.
Am Ende wird deutlich, dass der Auwald auf nachhaltige Eingriffe angewiesen ist, um die FFH-Lebensraumtypen, die 90% der Nordwestaue ausmachen, zu erhalten. Eingriffe, die aufgrund der aktuellen Spannungen ausbleiben.
Neben staatlichen und kommunalen Forstbetrieben, Naturschützern und erholungssuchenden Städtern beanspruchen auch Forscher den Leipziger Auwald für ihre Zwecke. Zur Erforschung des oftmals eher schwer zu erreichenden Kronendachs wurde vor etwa 20 Jahren ein Kran in der Burgaue aufgestellt. Seitdem dient er zahlreichen Forschungsgruppen als Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen. Da es weltweit nur etwa 20 weitere dieser Kräne gibt, ist es nicht verwunderlich, dass der Auwaldkran bereits lange im Voraus ausgebucht ist. Herr Engelmann, Biologe der Universität Leipzig, führte die Teilnehmer in einige spannende Forschungsthemen ein, die durch den Auwaldkran ermöglicht werden konnten. Mit Raupenmodellen aus Vaseline, die mit bestimmten Hormonen behandelt und anschließend in der Baumkrone verteilt wurden, konnte durch Fraßspuren an den Modellen herausgefunden werden, welche Fraßfeinde die dargestellte Raupenart hat. Aber auch Fragen zu den treibenden Kräften für die Artenvielfalt in der Baumkrone oder wie die einzelnen Baumarten das Bestandesklima beeinflussen, konnten durch die Feldversuche im Kronendach geklärt werden. Auf dem Kran selbst befinden sich neben der Gondel noch diverse Messgeräte, die rund um die Uhr Klima- und Wetterdaten erfassen. Diese Daten werden als Referenzen genutzt, um die Datenmengen, die aus herkömmlichen Satellitenaufnahmen mitgeliefert werden, auswerten zu können. Der Auwaldkran bietet somit Wissenschaftlern verschiedenster Gebiete die Möglichkeit den Wald und damit einhergehende Forschungsfragen aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.
Statt zwei Seiten der Medaille ist es eher ein Würfel mit unterschiedlichen Seiten der Interessen, die im Leipziger Auwald berücksichtigt werden müssen. Genauso ist es auch ein Würfel unterschiedlichster Möglichkeiten, die der Auwald bietet. Die Exkursion hat gezeigt, dass es durchaus nicht leicht ist, alle Interessen und Möglichkeiten zu verbinden, doch wenn dies gelungen ist, können am Ende viele Parteien davon profitieren.

Ulrike Willhelm (JNF und SFV)

 

Foto: Ulrike Wilhelm