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Reisebericht Staatsforst Polen (23. und 24.9.2021) der hessischen Forstreferendare/innen

Im Rahmen der in die Ausbildung integrierte dreimonatige Reisezeit besuchten die hessischen Forstreferendar/innen die zwei polnischen Staatsforstbetriebe „Nadleśnictwo Nowe Ramuki“ und  „Nadleśnictwo Choczewo“ im Nordosten bzw. Norden des Landes. Nachdem bereits im Vorfeld etliche forstliche Institutionen in Deutschland besucht wurden, war es interessant einmal über den deutschen „forstlichen Tellerrand“ hinauszuschauen und andere Sicht-, Denk- und Handlungsweisen kennenzulernen.

Im Staatsforstbetrieb „Nadlesnictwo Nowe Ramuki“ wurde uns mithilfe einer kleinen Präsentation auf Deutsch eine Einführung zum Betrieb gegeben. Dabei kristallisierte sich bereits eines der wirtschaftsbestimmenden Faktoren heraus: der Jagdbetrieb.

Die Jagd ist dort auf großen Teilen der Fläche an mehrere Jagdclubs verpachtet. Dementsprechend hoch ist der Einfluss durch Schalenwild auf die Waldverjüngung. Daher können junge Pflanzen -egal ob natürlich oder künstlich- ausschließlich innerhalb von Wildzäunen erwachsen.

In den hauptsächlich vorherrschenden Kiefernreinbeständen bietet sich daher der Saumkahlschlag zur künstlichen Bestandesbegründung der nächsten Kieferngeneration an. Kahlschläge sind gemäß FSC-Richtlinien in Polen bis zu einer Fläche von vier Hektar erlaubt. Die Vorteile dieses großflächigen Verjüngungsverfahrens sind die Einsparung von Kosten hinsichtlich der Zaunlänge und Zaunkontrolle, sowie der vereinfachten hochmechanisierten Holzernte und Kulturvorbereitung. Mit Hinblick auf unser kleinteiliges Vorgehen zur Einleitung der Verjüngung in Hessen, war das polnische Verfahren sicherlich ein ungewohnter Anblick, jedoch aufgrund der bestehenden Rahmenbedingungen ein probates und gerechtfertigtes Mittel.

Neu für uns war die Vollkluppung und die Einteilung in Sortiment, Sorte und Güteklasse des zu schlagenden stehenden Bestandes. Diese „Vorhiebsinventarisierung“ durch die polnischen Förster dient dem Bereichsleiter Produktion im Büro als Controlling- und Planungsinstrument für das laufende Geschäftsjahr.

Als letzten Exkursionspunkt wurde uns das traumhafte Naturschutzgebiet rund um den See „Jezioro łańskie“gezeigt, dass bereits aus der Nutzung genommen ist. Ähnlich wie in Deutschland hat an den dortigen Ufern das Müllproblem in der Pandemiezeit nochmal deutlich an Brisanz gewonnen. Eine Lösung ist nicht in Sicht und belastet in nicht messbarem Ausmaß das zu schützende Ökosystem.

Im Forstbetrieb „Nadlesnictwo Choczewo“, westlich von Danzig verbrachten wir zwei weitere Exkursionstage. Schnell wurde deutlich, dass hier andere Schwerpunkte in der Waldbewirtschaftung gesetzt werden. Annähernd die Hälfte der Forstbetriebsfläche ist Teil des europäischen Schutznetzes NATURA 2000. Besonders die entlang der Ostseeküste auf sehr nährstoffarmen Sandstandorten stockenden Kiefernbestände liegen größtenteils in Vogelschutzgebieten (SPA). Diese wurden im 20. Jh. hauptsächlich künstlich begründet, um den Effekt der Dünenwanderung durch Winderosion abzuschwächen. Aktuelles Ziel ist es mittels Naturverjüngung von Kiefer und Birke mit zusätzlich flächig etablierter Beerkrautvegetation aus hauptsächlich Preisel- und Heidelbeere eine Art Dauerwald auf den Dünenstandorten zu halten. Der wirtschaftliche Nutzen dieser Wälder ist lediglich ein nachgeordnetes Ziel. Neben den waldbaulichen Themen war auch etwas Sightseeing angesagt: wir besichtigten einen 1906 errichteten Leuchtturm, der heute in der dritten Generation geführt wird, und von dem man einen wunderbaren Blick ins Inland, die Küstenabschnitte und die zu diesem Zeitpunkt rauhe Ostsee hat.

Rechtes Foto: Kiefernaturverjüngung auf Dünenstandorten, entwickelt in künstlich erzeugten Lichtschächten; linkes Foto: Extremstandorte mit wandernde Dünen entlang der Ostseeküste

Auch die polnischen Staatsforsten reagieren auf den Klimawandel und versuchen bereits seit ca. 30 Jahren ihre großflächigen Kiefernreinbestände in Mischbestände umzubauen. Am zweiten Tag wurde uns daher das Vorgehen des Umbaus an verschiedenen Waldbildern erläutert. In der Vergangenheit wurde auf den besseren Standorten großflächig ein Buchenvoranbau unter den zuvor leicht aufgelichteten Kiefernschirm gepflanzt. Die schlechteren Standorte hingegen wurden nach kleineren Kahlhieben (ca. 1 ha) und Bodenvorbereitung mit Traubeneiche wiederaufgeforstet. Heute wird ein kleinflächigeres vorgehen präferiert, bei dem der Voranbau mit Buche horstweise stattfindet und eine kleinflächigere Mischung entsteht. Insgesamt strebt der Forstbetrieb einen vertikal und horizontal strukturierten Waldaufbau mit möglichst vielen verschiedenen Baumarten an. Das verdeutlichte auch das letzte Waldbild, in dem eine kleinräumige Mischung aus Buche, Fichte, Lärche und Kiefer unter einem lichten Lärchenschirm zu sehen war.

Zu guter Letzt zeigten uns die polnischen Kollegen noch eine weitere wichtige Aufgabe ganz ab von der eigentlichen Forstwirtschaft. Wir besuchten einen kleinen im Wald verborgenen Familienfriedhof aus dem Beginn des 20. Jhd. und die Exkursionsleiter erläuterten uns die Geschichte dieses Ortes und der Region. Insgesamt gibt es zahlreiche dieser Familien- und Kriegsgräber in dieser Region, die von den polnischen Staatsforsten gepflegt werden.

Die Gastfreundlichkeit die uns an beiden Stationen entgegengebracht wurde, hat definitiv unsere Erwartungen übertroffen. Man hat keine Kosten und Mühen gescheut uns vor und nach den Exkursionspunkten kulinarisch zu verköstigen. Die polnische Küche allein für sich ist jederzeit einen Besuch wert! Hierfür danken wir unseren Gastgeber recht herzlich und sagen „Dziękuję“!